Den Hetzern in den Arm fallen
Moslems, Juden und Christen sollten das islamische Opferfest gemeinsam feiern
Eine Erklärung des Abrahamischen Forums in Deutschland

Muslime begehen in aller Welt das Opferfest. Anlass ist das Ende der Pilgerreise in Mekka. Es erinnert an Abraham und dessen Opfer, das er seinem Gott darbrachte. Die Feiern dauern vier Tage. Das Abrahamische Forum Deutschland ruft dazu auf, das Fest gemeinsam zu feiern. Dies sei ein Zeichen der Versöhnung und des Friedens in einer vom Religionsstreit erfüllten Welt.

In der islamischen Welt ist das Opferfest eines der beiden wichtigsten Feiertage und wird daher als das "Große Fest" bezeichnet. Auf Arabisch heißt es 'Id al-Kabir, auf Türkisch Kurban Bayrami. Es wird zum Abschluss der Pilgertage in Mekka gefeiert. Muslime auf der ganzen Welt feiern dabei mit.

Das zweite religiöse Fest, 'Id al-Fitr, das "Fest des Fastenbrechens", wird am Ende des Monats Ramadan begangen. Es beendet die Fastenzeit. In der Zeit des Ramadan ist es Tradition, Freunde und Menschen aus der Nachbarschaft zu einem Iftar-Essen einzuladen. An vielen Orten in Deutschland ist das inzwischen zu einer guten Gewohnheit geworden.

Das Opferfest geht zurück auf Abraham (Ibrahim), in dem Juden, Christen und Muslime das "Vorbild ihres Glaubens" sehen. Es erinnert an das Opfer, das Abraham verrichtet hat. Die Feiern dazu dauern vier Tage. Auch an diesem Fest ist es möglich, dass Muslime mit Juden und Christen gemeinsam feiern. Solche Feiern haben bereits stattgefunden und waren für alle Beteiligten sehr bewegend.

Es ist diese Erfahrung, die das Abrahamische Forum in Deutschland dazu aufrufen lässt, zum Opferfest auch Juden und Christen ebenso wie Menschen anderer Religion oder ohne Religionszugehörigkeit einzuladen.

Das islamische Opferfest

Das Opferfest bildet einen der Höhepunkte der Pilgerfahrt nach Mekka. Die Pilgerfahrt ist Nachahmung Abrahams, der nach islamischer Tradition mit seinem Sohn Isma'il nach Mekka pilgerte und dort opferte. Jedes Jahr pilgern zwei bis drei Millionen Musliminnen und Muslime aus aller Welt nach Mekka. Jeder Muslim sollte nach Möglichkeit einmal im Leben die Pilgerfahrt machen. Die Pilgerfahrt (Haddsch) ist eine der fünf Säulen des Islam.

Wenn Muslime beim Opferfest ein Tier opfern, dann erinnern sie sich an Abraham. Er ist das Vorbild für alle Gläubigen. Ihn prägten bedingungsloser Gehorsam und seine Hingabe an Gott ("Islam"). Abraham wurde von Gott aufgefordert, seinen eigenen Sohn zu opfern. Muslime glauben, dass dieser Sohn Isma'il war. In seiner Erzählung der Opfergeschichte (Sure 37, as-Saffat, 99-111) erwähnt der Koran den Namen nicht; davon weiß erst die Sunna, die Überlieferung des Gesandten Muhammad. Entscheidend ist, dass Gott Abrahams Sohn rettet. Er sendet den Engel Gabriel, der als Ersatz für das Menschenopfer ein Opfertier bringt; denn Gott will keine Menschenopfer.

Beim Opferfest soll ein Tier geschlachtet oder auch eine große Spende für Arme gegeben werden. Das Opfertier muss makellos sein. In der Regel ist das Opfertier ein Schaf, aber je nach den materiellen Möglichkeiten kann es auch ein Rind oder Kamel sein.

Die tiefere Bedeutung des Opfers besteht darin, dass sich der Gläubige Gott ganz zur Verfügung stellt. Das geschieht mit dem Gelöbnis "Labbaika Allahuma": Hier bin ich, o Gott, zu deinem Dienst bereit. Dies ist das Leitmotiv der Pilgerfahrt und des Opfers, das sie krönt. Der Gläubige weiht sein Leben Gott, wie es Abraham vor ihm getan hatte.

Bei der Opferung wird das Opfertier mit dem Kopf in Richtung Mekka gelegt und der Rumpf - um das Schächten zu erleichtern - möglichst in eine andere Richtung gedreht. Dann werden dem nicht betäubten Tier mit einem scharfen Schnitt die Halsschlagadern, die Speise- und die Luftröhre durchschnitten. Dabei spricht der Opfernde das folgende Gebet: "Im Namen Gottes. Gott ist größer. Gott! In Deinem Namen, durch Dich und für Dich. Nimm es von mir an, wie Du es von Deinem Freund Abraham angenommen hast."

Muslime und viele Fachgutachter sind davon überzeugt, dass das Opfertier nicht leidet, wenn die rituelle Schlachtung fachkundig vollzogen wird.

Nach dem Schlachten wird das Fleisch aufgeteilt. Ein Drittel behält man zurück für die eigene Familie. Ein Drittel wird an Verwandte und ein weiteres Drittel an arme Menschen weitergegeben. Es ist auch möglich, das Geld für ein Opfertier einer Hilfsorganisation zu spenden, die dann die Schlachtung und Verteilung des Fleisches an Arme und Bedürftige übernimmt.

Das Opferfest dauert insgesamt vier Tage. Am Morgen des ersten Tages versammeln sich alle muslimischen Männer, Frauen und Kinder zum Festgebet. Dieser Tag wird dann mit der Familie im Hause gefeiert. Im Mittelpunkt steht die festliche Mahlzeit, in der das Fleisch des Opfertiers gegessen wird, aber auch andere leckere Speisen und Süßigkeiten. An den folgenden Tagen werden Besuche gemacht, Verwandte und Bekannte eingeladen oder Ausflüge unternommen. An diesen Tagen kann auch mit Juden, Christen sowie Menschen mit und ohne Religion gemeinsam gefeiert werden.

Opfer im Judentum

Seit Abraham seinen Sohn nicht opfern musste, gilt auch im Judentum, dass Gott keine Menschenopfer will. Ein Opfer von grobem oder feinem Mehl und/oder Tieropfern gab es auch im Tempel von Jerusalem. Nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 unserer Zeitrechnung hat der ursprüngliche Opferdienst aufgehört. Nach der Tora ist der Opferdienst nur im Tempel und auf dem Tempelberg erlaubt.

Nach traditionell-jüdischem Verständnis ist heute der häusliche Tisch an die Stelle des Altars im Tempel getreten. Die Talmudweisen drücken das so aus: "Als der Tempel stand, haben Opfer für den Einzelnen gesühnt; nun tut es sein Tisch" (Chagiga 27 a). So erklärt sich der jüdische Brauch, das erste Stück Brot, das man isst, mit Salz zu bestreuen und einen Segensspruch zu sagen - so wie es bei den Opfern vorgeschrieben war. Wie es verboten war, bestimmte Tiere auf den Altar Gottes zu legen, so ist es bis heute verboten, sie als Speise auf den Tisch zu bringen. Doch gehört diese Verordnung eher den Speisevorschriften an. Höher noch als das Opfer im Tempel wird in der jüdischen Tradition das Gebet als "Gottesdienst des Herzens" geschätzt. Im Gebet eifern sie als Abrahams Nachkommen dem Patriarchen nach: "Und Abraham betete zu Gott", heißt es in der Tora (Genesis 20, 17). Auch das traditionelle jüdische Morgengebet wird Abraham zugeschrieben. Und in der Tora ist zu lesen: da Abraham auf Gottes Stimme hörte, sind alle Nachkommen Abrahams, alle Völker der Erde, gesegnet.

Opfer im Christentum

Auch im Neuen Testament wird Abraham als Betender vorausgesetzt (Lukas 15, 24). Vor allem erscheint Abraham als Glaubender, der sich auf Grund der Verheißung Gottes auf den Weg macht, der in der Fremde in Zelten wohnt, weil er die angezielte Wohn-Stadt von Gott erwartet (Hebräer 12, 9f.). So wurde Abraham zu einem Vorbild für Pilger, die sich zu Voraus-Bildern der ewigen Stadt auf den Weg machen, und dafür, dass Menschen nur Gast auf Erden sind, die der ewigen Heimat zuwandern.

Die Verheißung erhält in der Geburt Isaaks eine erste, weiterwirkende Erfüllung (Römer 4, 13-21). Doch Abrahams Glaube geht - nach dem Hebräerbrief - viel weiter: "Er verließ sich darauf, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken" (Hebräer 11, 19). Darum bestand er die Glaubens-Probe Gottes, der ihm zugemutet hatte, seinen Sohn zu opfern. Er ist ein Beispiel dafür, wie Glauben und Handeln zusammengehen sollen (Jakobus 2, 21-24). Dank seines erprobten Glaubens erhält Abraham seinen Sohn Isaak zurück, ein "Sinnbild" dafür, dass Gottes Zusage auch wider allen Augenschein und alle Hoffnung gilt.

Unter Bezug auf Abraham wird Jesu Kreuzestod als Opfer Gottes selbst gedeutet (Römer 8, 32 zu Genesis 22, 12), womit die Gewalt des Bösen besiegt wird. Nach anderen Aussagen opfert sich Jesus für die Sünden der Menschen; weitere Opfer sind überflüssig (Hebräer 7, 27). Es bedarf weder Menschen- noch Tieropfer. Von Christen wird gesagt, sie sollten sich selbst durch ihren Lebenswandel als "lebendiges und heiliges Opfer" darbringen (Römer 12, 1).

In christlicher Kunst, Theologie und Liturgie spielt der Opfergedanke in Verbindung mit dem Kreuzestod Jesu und mit Bezug auf die Opferung Isaaks eine nicht zu übersehende, doch nicht unumstrittene Rolle.

Gemeinsame Feiern

Abraham wird von Juden, Christen und Muslimen als Vorbild im Glauben verehrt. Er hat sich dem Einen Gott zugewandt, zu dem später Mose, Jesus und Muhammad gebetet haben. Durch ihn wissen sich Angehörige der abrahamischen Religionen im Glauben an den Einen Gott verbunden. Für ihn spielten der Gehorsam gegenüber Gott und die Gastfreundschaft eine zentrale Rolle. Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung Gottes sind Inhalte, die für ihn bedeutsam waren. Abrahamische Religionen fühlen sich diesen Werten bis heute verpflichtet.

Solche Gemeinsamkeiten bilden die Grundlage dafür, dass Menschen der abrahamischen Religionen eng zusammenwirken können. In einer Zeit, in der Fanatiker und Fundamentalisten danach streben, das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religion zu vergiften, ist dies besonders wichtig.

Durch Einladungen zum Opferfest kann deutlich gemacht werden, dass die Angehörigen abrahamischer Religionen zum sozialen Frieden beitragen wollen. Denn dadurch wird denen der Boden entzogen, die versuchen, Menschen unterschiedlichen Glaubens gegeneinander aufzuhetzen.

Bei allen Gemeinsamkeiten bleiben die Unterschiede in Lehre und Praxis der abrahamischen Religionen bestehen. Sie sind jedoch kein Grund für ein Gegeneinander.

Gemeinsame Feiern sind möglich. Sie stärken Freundschaften und die Verbundenheit von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Tradition.

Sie tragen dazu bei, Ängste und Vorurteile, antisemitische, antichristliche und islamophobische Einstellungen abzubauen.

Papst Benedikt XVI. hat solche Bemühungen ermutigt, als er beim Besuch der Kölner Synagoge am 19. August 2005 im Rahmen des Weltjugendtages betonte: "Sowohl die Juden als auch die Christen erkennen in Abraham ihren Vater im Glauben und berufen sich auf die Lehren Moses und der Propheten.... Gott hat uns alle‚ als sein Abbild geschaffen und uns dadurch mit einer transzendenten Würde ausgezeichnet. Vor Gott besitzen alle Menschen die gleiche Würde, unabhängig davon, welchem Volk, welcher Kultur oder Religion sie angehören. Aus diesem Grund spricht die Erklärung Nostra aetate auch mit großer Hochachtung von den Muslimen und den Angehörigen anderer Religionen."

Ähnlich sagte Papst Benedikt XVI. bei seiner Begegnung mit Muslimen am Folgetag in Köln: "Wir müssen Optimismus und Hoffnung pflegen. Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt."

Zur Gestaltung von Opferfesten

Das Abrahamische Forum in Deutschland wurde erstmals am 23. Januar 2005 zu einem Opferfest nach Rüsselsheim eingeladen. Auf Anregung des Stadtverbandes der ausländischen Vereinigungen in Rüsselsheim nahmen daran Muslime unterschiedlicher Herkunft und Vertretungen der Stadt, der Kirchen, gesellschaftlicher, politischer und kultureller Einrichtungen teil. Auf die Begrüßung durch die Gastgeber folgte ein Grußwort des Oberbürgermeisters. Danach gratulierte ein abrahamisches Team zum Opferfest und sprach über die Bedeutung Abrahams nach jüdischer, christlicher und muslimischer Sicht.

Daran schlossen sich musikalische Beiträge und ein gemeinsames Festessen an, das einer kulinarischen Reise durch die Welt glich. Mit Gesprächen unter den etwa 200 Teilnehmenden endete das Opferfest, an dem auch Kinder teilnahmen.

Beim Opferfest bietet es sich an, Texte aus der hebräischen Bibel, dem Neuen Testament und dem Koran zu lesen. Dazu können Gebete wie die Psalmen gesprochen werden. Ein Abrahamisches Trio mit Musik aus jüdischer, christlicher und muslimischer Tradition kann eingeladen werden (Adressen vermittelt das Abrahamische Forum in Deutschland). Muslime sind gern bereit, ihre Köstlichkeiten aus unterschiedlichen Ländern zu den Feiern mitzubringen, sie zu erklären und damit zum Gelingen des Opferfestes beizutragen.

  • · Das Abrahamische Forum in Deutschland fördert das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion und will zur Überwindung von Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus beitragen. Es wurde 2001 gegründet und ist ein Projekt der Groeben-Stiftung beim Interkulturellen Rat in Deutschland. Im Abrahamischen Forum arbeiten jüdische, christliche und muslimische Persönlichkeiten mit Stiftungen, Wissenschaftlern und Experten zusammen. Weitere Informationen: www.interkultureller-rat.de und in der Broschüre von Jürgen Micksch: "Abrahamische und Interreligiöse Teams", Frankfurt/Main 2003.
  • · Adresse Interkulturellen Rat in Deutschland, Goebelstraße 21, 64293 Darmstadt, Telefon: 06151/33 99 71, Fax: 06151/39 19 740 Mail: info@interkultureller-rat.de

Frankfurter Rundschau, 10.01.2006

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