"Manager suchten Nähe der Nazis"
Die Historiker Dieter Ziegler und Harald Wixforth über ihre Untersuchung zur Dresdner Bank in der NS-Zeit

Frankfurter Rundschau: Warum hat die Dresdner Bank 1997 unabhängige Historiker mit der Erforschung ihrer Geschichte während der NS-Zeit beauftragt?

Dieter Ziegler: Ich kann nur vermuten, dass die Frage der nachrichtenlosen Konten in der Schweiz wie die heftigen öffentlichen Diskussionen darum und die Frage der Entschädigung der Zwangsarbeiter eine wichtige Rolle gespielt haben. Nicht unterschätzen sollte man auch die Tatsache, dass die Managergeneration der 90er Jahre die Führungspersönlichkeiten der Kriegsjahre nicht mehr persönlich gekannt hat. Das dürfte ihnen diese Entscheidung wesentlich leichter gemacht haben als ihren Vorgängern.

Die Dresdner Bank hat im Zusammenhang mit dem NS-Regime keinen guten Ruf. In Nürnberg verurteilte man Vorstandssprecher Karl Rasche zu sieben Jahren Haft. Beginnt jetzt eine Phase der Beschönigung?

Dieter Ziegler: Es geht nicht um "Beschönigung", und es geht nicht um "Anklage". Wir wollten verstehen, wie es dazu hat kommen können.

Hauptquelle für Ihre Untersuchung sind die Archive der Dresdner Bank?

Harald Wixforth: Ich war allein in 35 Archiven. Das zeigt, wie intensiv geforscht wurde. Im Ausland war ich am häufigsten in Moskau. Dort lagern Akten aus dem Reichswirtschaftsministerium und der Vierjahresplanbehörde - Akten, die die Rote Armee im Sommer 1945 dorthin transportierte.

Zu welchem Ergebnis kommen Sie?

Harald Wixforth: Ich habe die Expansion der Dresdner Bank in Europa untersucht. Es lässt sich nachweisen, dass sie seit 1938 vom NS-Regime und seiner Annexionspolitik erheblich profitierte. Gezielt schmiedete sie damals Allianzen mit dem NS-Regime und stellte eine "gewollte Nähe" her. Zwar bauten mit der NSDAP paktierende Vorstandsmitglieder die engen Verbindungen auf, doch der gesamte Vorstand und der Aufsichtsrat wussten davon. Es lässt sich aus diesen Gremien kein einziges Veto gegen die heiklen Geschäfte finden. Verantwortung und Schuld trifft alle Mitglieder der Führungsgremien.

Sie sprechen dem Vorstand ab, als "ehrbare Bankiers" gehandelt zu haben?

Harald Wixforth: Ja. In der von mir untersuchten Zeit waren beinahe alle Vorstandsmitglieder an heiklen und moralisch bedenklichen Geschäften beteiligt, Geschäfte, die sie bis 1933 als schlimmen Verstoß gegen den Bankkodex angesehen hätten.

Wie weit ging "die gewollte Nähe" zum NS-Regime?

Harald Wixforth: Auch wenn es Ausnahmen wie das Vorstandsmitglied Gustav Overbeck gibt - viele Entscheidungsträger waren bereit, Verbrechen des NS-Regimes zu akzeptieren, biederten sich an und paktierten mit ihm. Die Dresdner Bank wirkte zum Beispiel bei der Konfiskation des Vermögens der Juden in ganz Europa mit, wodurch sich das Regime den direkten Zugriff auf finanzielle Mittel in erheblichem Umfang verschaffte. Es gibt Fälle, da wurde aus Mitwirkung Mittäterschaft.

Können Sie Beispiele nennen?

Harald Wixforth: So verwaltete die Kommerzialbank, die Niederlassung der Dresdner im Generalgouvernement, die Konten der SS, auf denen Gelder deportierter und ermordeter Juden deponiert waren, nach der so genannten Aktion Reinhardt, das heißt: nach der gewaltsamen Umsiedlung von Polen und Juden im Generalgouvernement. Weiterhin gibt es die Breslauer Firma Huta - die Dresdner war Hauptaktionär und stellte den Aufsichtsratsvorsitzenden. Es ist die Firma, die die Krematorien mit integrierten Gaskammern in Auschwitz baute. Zudem unterhielt die Dresdner intensive Geschäftsbeziehungen mit der SS, vor allem mit dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, in dessen Betrieben zahlreiche Zwangsarbeiter schuften mussten.

Hat es keinen Widerstand gegeben?

Dieter Ziegler: Ich habe den Umgang der Bank mit jüdischen Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Banken untersucht. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Entscheidungsträger in der Bank ihren Handlungsspielraum sehr oft zu Ungunsten ihrer jüdischen Partner eingesetzt haben, ob Mitarbeiter oder Geschäftspartner. "Widerstand" gab es erst, als eigene wirtschaftliche Interessen in Gefahr kamen. So weigerte sich die Bank per Anweisung an Filialen, den NS-Finanzämtern Renten "evakuierter" Juden zu überweisen. Das sei nur zulässig, wenn die Ämter eine Lebensbescheinigung vorlegten. Die Mitarbeiter in der Personalabteilung wussten also offenbar sehr wohl, Deportation bedeutete in der Regel den Tod.

Wie verhielten sich andere Banken?

Dieter Ziegler: Durch die De-facto-Verstaatlichung der Dresdner Bank 1931 gelang es der NS-Regierung leichter, Nationalsozialisten im Vorstand der Bank zu platzieren als bei den unabhängigeren Konkurrentinnen Deutsche Bank und Commerzbank. Seitdem, aber auch nach der Reprivatisierung 1937, zeichnete die Dresdner Bank eine größere Nähe zum Regime aus als die beiden Konkurrentinnen. Dadurch ergaben sich oft günstig erscheinende Geschäftsgelegenheiten. Das heißt aber nicht, dass Deutsche Bank und Commerzbank auf Grund einer moralisch motivierten Zurückhaltung weniger aktiv gewesen wären, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten.

Interview: Karl-Heinz Baum

Dieter Ziegler und Harald Wixforth sind Historiker an der Ruhr-Universität in Bochum und gehören neben Johannes Bähr (Berlin) und Klaus-Dietmar Henke (Dresden) zu den Autorender Untersuchung über die "Die Dresdner Bank im Dritten Reich". Die Dresdner-Bank-Studie umfasst vier Bände, wurde vom Vorstand des Geldinstituts 1997 unter damals starkem öffentlichen Druck in Auftrag gegeben und wird am heutigen Freitag in Berlin präsentiert. zba

Frankfurter Rundschau, 17.2.2006

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