Paula Buber - "grundgescheite bayrische Großbäuerin"
und Schriftstellerin
von Gabi Schwall
Im Dezember 2006 wurde dem Martin-Buber-Haus in Heppenheim
die Literaturland-Plakette des Landes Hessen verliehen. Im Rahmen dieses
Ereignisses veranstaltete die Stadt Heppenheim, der ICCJ und der Hessische
Rundfunk eine Lesung, in der die Schauspielerin Ursula Illert Auszüge
aus dem Roman "Muckensturm" von Paula Buber vortrug, den diese
1953 unter dem Pseudonym Georg Munk veröffentlicht hatte. Die Lesung
wurde vom Hessischen Rundfunk aufgezeichnet und wird demnächst gesendet.
Zu Beginn der Veranstaltung informierte Gabi Schwall vom HR-Studio Darmstadt
über das Literaturland (LILA) Hessen und die Autorin Paula Buber.
Die Redaktion
Bevor ich versuche, Sie mit der Autorin Paula Buber und
ihrem Roman Muckensturm bekannt zu machen, ein paar Sätze zu Literaturland
Hessen.
LILA Hessen ist eine Initiative von Kulturradio hr2, des
Hessischen Literaturrates und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft
und Kunst, unterstützt von der Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Anliegen von LILA Hessen ist deutlich zu machen, dass Hessen das Literaturland
ist. Nicht nur das Land der großen Dichter, wie Goethe, Büchner,
Lichtenberg oder der Brüder Grimm. Sondern ins Bewusstsein zu rufen,
dass in Hessen unzählige, wichtige Dichter und Schriftsteller gelebt
und gearbeitet haben. Klaus Mann, zb, der hier in HP die OSO besuchte.
Werner Bergengruen lebte hier in der Region, Elisabeth Langgässer
oder Arno Schmidt.
LILA will auch an Autoren erinnern, die zu Unrecht in
Vergessenheit geraten sind. An Adam Karrillon zB, den 1. Büchner-Preisträger,
der ganz in der Nähe geboren wurde und in Weinheim als Arzt wirkte.
Oder eben an Paula Buber, der diese Veranstaltung heute gewidmet ist.
(...)
Das Buber-Haus ist heute Sitz des ICCJ, des Internationalen
Rates der Christen und Juden .In diesem Haus, in der Werlestrasse 2. lebte
von 1916 bis März 1938 die Familie Buber: Martin Buber, der jüdische
Religionsphiliosoph, Schriftsteller und Bibelübersetzer, seine Frau
Paula Buber, zeitweilig ihre beiden Kinder Eva und Rafael , später
auch die Enkelinnen Judith und Barbara. Die Kinder von Rafael Buber und
Margarete Buber-Neumann.
Mitten im 1. WK zog die Familie das ländliche Leben
in Heppenheim einer materiell eher kargen städtischen Existenz in
Berlin vor. Martin Buber kannte Heppenheim, seit er in Lindenfels kurte.
Er war befreundet mit Paul und Edith Geheeb von der Odenwaldschule.
Martin Buber konnte hier in HP in Ruhe arbeiten und schreiben.
Frankfurt, wo er bis 1933, seiner Zwangsemeritierung, an der Uni unterrichtete,
war nah. Die Bubers mieteten das Haus zunächst, der riesige Obst-und
Gemüsegarten sicherte der Familie das materielle Überleben.
Später als die finanziellen Verhältnisse sich besserten , wurde
das Haus gekauft. 1935, als die antisemitischen Ausschreitungen immer
heftiger wurden, plante die Familie ihre Ausreise nach Palästina.
Die Verhandlungen darüber zogen sich hin bis zum Frühjahr 1938,
auch wg der sogenannten Reichsfluchtsteuer. Am 9. November 1938 wird das
Haus verwüstet, die Bibliothek zerstört. Die Bubers sollten
die Vandalismusschäden bezahlen. Sie konnten und wollten nicht und
so wurde ihr Haus schließlich von den Nazis gepfändet.
Paula Buber war 39 Jahre alt, als sie nach Heppenheim
kam. Am 14.Juni 1877 wurde sie in München geboren, sie starb am 11.
August 1958 in Venedig, sieben Jahre vor ihrem Mann. Paula Winkler stammt
aus einer wohlhabenden Großbürger-Familie. Einer katholischen
Familie. Sie absolvierte das königliche Kreislehrerinnenseminar in
München und schrieb sich am 9.9.1899 in der Universität Zürich
ein, für Literatur - in Deutschland war ein solches Studium für
Frauen nicht möglich. Wie lange sie studierte ist nicht bekannt.
Wie überhaupt sehr wenig erhalten ist, über das Leben Paula
Bubers.
In Zürich lernte sie den Studenten Martin Buber kennen.
Er stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, Künstler,
Schriftsteller und Philosophen gingen ein und aus im Haus der Großeltern,
wo er aufwuchs. Schon früh schloß sich Buber den Zionisten
an, die einen eigenen jüdischen Staat forderten.
Die Begegnung von Paula Winkler und Martin Buber muss
wie ein Blitz in beide eingeschlagen sein. Ein Biograf Bubers (H. Ch.
Kirsch) beschreibt es so:
"Nach einer kurzen Romanze, die eine denkwürdige
Tanzveranstaltung in den Alpen bis zum frühen Morgen einschloss,
willigte sie ein, seine Lebensgefährtin zu werden."
Von außen betrachtet eine skandalöse Beziehung:
eine Katholikin und ein Jude. Als die Kinder Rafael und Eva zur Welt kamen,
waren Paula Winkler und Martin Buber nicht verheiratet. Paula teilte die
zionistische Überzeugung Martins . Aber erst als sie bei einem Rabbi
konvertiert, war eine Eheschließung nach jüdischem Ritus möglich.
Ihre Familie hat sie daraufhin verstoßen, enterbt. Sie hatte zeitlebens
keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie.
Nach den wenigen erhaltenen Fotos zu urteilen war Paula
Winkler-Buber eine schöne Frau. Groß, mit welligem Haar, das
sie locker aufgesteckt hatte. Eine sportliche Frau, um die Jahrhundertwende
soll sie als eine der ersten Frauen überhaupt die Alpen mit dem Fahrrad
überquert haben. Albrecht Goes, der Dichter und Freund der Familie,
charakterisierte Paula als eine "grundgescheite bayrische Großbäuerin".
Diesem Bild entspricht ihr Leben in Heppenheim. Mit dem großen Garten.
Mit ihrer Fähigkeit auf jedermann, jederfrau zuzugehen. Sie konnte
mit jedem sprechen. Das ist die eine Seite Paula Bubers.
Die andere ist die Schriftstellerin. Die Frau mit einem
bewundernswerten Sprachgefühl. Als Paula Winkler noch hat sie in
zionistischen Zeitschriften Texte veröffentlicht. Sie war immer die
kritische Lektorin ihres Mannes. Ob bei seinem Hauptwerk "Ich und
Du" oder der Bibelübersetzung - sie hat wesentlichen Anteil
an der vielgelobten lebendigen, plastischen Sprache von Bubers Werken.
Nach der Eheschließung mit Martin Buber, der damals
schon ein namhafter Schriftsteller war, nahm sie das Pseudonym Georg Munk
an. Und unter diesem Namen veröffentlichte sie ab 1912 sechs Romane
und Erzählungen. Nicht irgendwo, sondern im renommierten Insel-Verlag
in Leipzig.
"Die unechten Kinder Adams" - mit diesem Erstlingswerk,
dessen Rahmenerzählung die jüdische Kabbala belehnt, wird der
Autor Georg Munk viel gefeierter Autor des Jahres 1912. Kasimir Edschmidt
schrieb in einer Rezension "Man wird sich den Namen, der ein Pseudonym
ist, merken müssen".
Es folgen der Roman "Irregang" 1916, er spielt
ebenso wie die Erzählungen "Sankt Gertrauden Minne" 1921
und "Die Gäste" 1927 im alpenländischen Raum. Geschichten
von Geistern und von Begegnungen mit der Geisthaftigkeit der Natur - nannte
Martin Buber die Arbeit seiner Frau, als er für eine Neuauflage 1961
das Vorwort schrieb.
Diese Bücher waren auch finanziell so erfolgreich,
dass Paula Buber alias Georg Munk mit ihren Schriftstellerinnen-Einnahmen
einen nicht unerheblichen Teil zum Familieneinkommen beitragen konnte.
1952 erscheint , aus dem Jerusalemer Exil, der Roman "Am
lebendigen Wasser". Zeitbedingt ein anderes Thema und auch eine andere
Erzählweise. Die Geschichte einer großbürgerlichen Frau
aus Bayern, die ihren vaterlosen Sohn durch die Irrungen und Wirrungen
der Zeit zwischen den Weltkriegen führt.
Und schließlich 1953 der Roman "Muckensturm
- ein Jahr im Leben einer kleinen Stadt", erschienen im Verlag Lambert
Schneider Heidelberg.
Warum Paula Buber unter dem männlichen Pseudonym
Georg Munk veröffentlichte - darüber ist von ihr selbst nichts
überliefert. Es gibt viele Deutungen und Erklärungsversuche.
Sicher ist, dass sie als Autorin selbständig wahrgenommen
werden wollte und nicht als Frau des berühmten Martin Buber. Sie
hat ihr Pseudonym lange streng bewahrt , nur wenige Eingeweihte wussten
Bescheid. Und es ist überliefert, dass sie sehr empört war,
wenn ihr Mann stolz erzählte, dass seine Frau hinter Georg Munk steckt.
Möglicherweise wurde von der Kritik auch ein unbekannter
männlicher Autor eher ernst genommen als eine schreibende Frau.
Interessant ist, dass viele Frauen, die unter männlichem
Namen veröffentlichen, den Vornamen Georg wählten. George Sand
in Frankreich die berühmteste.
"Muckensturm - Ein Jahr im Leben einer kleinen Stadt",
der Roman, 643 Seiten dick, beschreibt das Jahr 1933. Das Jahr der Machtübernahme
der Nazis. Ein Zeitdokument - auch wenn der Roman erst 1953 erschienen
ist. Paula Buber hat den Roman, vermutlich nach Tagebuchnotizen, unmittelbar
nach der Emigration nach Palästina, nach Jerusalem geschrieben. Also
von Sommer 1938 bis 1940.
Und sie hat ihn nicht verändert. Das muß man
wissen. Denn nur das erklärt, die doch manchmal fast folkloristische
Beschreibung des Lebens im Jahr 1933 in Muckensturm. Jener fiktiven Kleinstadt,
für die Heppenheim zweifelsohne Vorbild war. Die Autorin wusste nicht,
wie sich die Naziherrschaft ausweiten würde zum beispiellosen Holocaust.
Sie hat sich konzentriert, auf das was sie erlebt, erfühlt, erlesen,
erfahren hat. Anders ist das oft Groteske, auch satirisch Überspitzte
des Romans nicht zu verstehen. Das, was den Roman zu einem Lesevergnügen
macht.
Ist Muckensturm ein Schlüsselroman ? Diese Frage
wird gerade hier in Heppenheim immer wieder gestellt.
Ich denke, ja und nein. Ein Schlüsselroman insofern
als Paula Buber die Verhältnisse in Heppenheim sehr gut kannte und
viele Anregungen für ihren Roman dort fand. Was Personen angeht,
was Situationen betrifft, Zusammenhänge, Strukturen. Mehrere Autoren
aus Heppenheim haben regelrechte Dechiffrierlisten angelegt - welche real
exisitierende Person entspricht welcher Romanfigur. Das ist nicht uninteressant
zu lesen.
Aber ich denke, das entspricht nicht Paula Bubers Intentionen.
Sie wollte sicher keinen Heppenheim-Roman schreiben. Sondern einen Roman
über die Zeit. Wie haben die Menschen in Deutschland reagiert im
Jahr der Machtergreifung. Wie haben die einen versucht ihr Scherflein
ins Trockene zu bringen. Wie haben andere den angestauten dumpfen Hass
auf einen Sündenbock kanalisiert. Wie wurde das Mäntelchen in
den Wind gehängt. Wie machte man sich vor, dass das alles doch nicht
so schlimm werden würde, dass doch die Vernunft siegen würde.
Aber auch wie Karrieren geplant und skrupellos angegangen wurden.
Wenn überhaupt, dann hat Paula Buber - mit der ihr
zustehenden literarischen Freiheit - Heppenheim als idealtypische deutsche
Kleinstadt angesehen.
Siehe auch
http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=18630&key=standard_document_27782860
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