Informationen aus Israel

von Michael Krupp, Jerusalem

 

Rabbiner belegen "Grüne Linie" mit dem Bann

Die Entscheidung der Erziehungsministerin Yuli Tamir, die Grenze von 1967, die sogenannte grüne Linie wieder in die israelischen Schulbücher einzufügen, hat einen wahren Sturm der Empörung bei den Rechten und den rechten Religiösen ausgelöst. Ein Gremium von Rabbinern, das der chassidischen Habad-Richtung und der Siedlerbewegung nahe steht, hat einen religiösen Bann gegen solche Schulbücher verhängt. "Man darf diese Bücher nicht lesen und man darf sie nicht zu Hause haben", sagte einer der Initiatoren, Rav David Druckman, Oberrabbiner von Kirjat Motzkin. Der Vorschlag der Ministerin sei Häresie.

"Die Erziehungsministerin Yuli Tamir hat mit ihren Aktionen einen offenen Krieg gegen den Heiligen, gepriesen sei er, erklärt und gegen das Land Israel", sagte ein anderer Unterzeichner des Banns, Rav Shalom Dov Wolfa. "Die Ministerin hat sich den Feinden Israels angeschlossen, die seit Generationen versuchen, Israel zu vernichten. Die Ministerin möge sich daran erinnern, was Ariel Scharon passiert ist, der sich ebenso gegen die Siedlungen in Judea, Samaria und Gaza versündigte", eine Anspielung auf das Koma, in dem sich der ehemalige Ministerpräsident seit Anfang 2006 befindet.

Yuli Tamir hat inzwischen Rückendeckung auch von Ministerpräsident Ehud Olmert bekommen. Man könne sich nicht beschwerden, wenn bei Palästinensern und Arabern Israel auf ihren Landkarten nicht erscheine, wenn wir so tun, als gäbe es kein Palästina, sagte die Ministerin. Die Grenze von 1967 sei von keiner Regierung je aufgehoben worden und stelle die Basis für eine zukünftige Friedensregelung dar, sagte der Abgeordnete der Linkspartei Meretz-Jachad, Avschalom Vilan.

Gesetzesvorschlag: Auch Kinder eines jüdischen Vaters als Juden anerkennen

Der Vorsitzende der Linkspartei Meretz-Jachad, Jossi Beilin, hat einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der auch Kinder eines jüdischen Vaters als Juden anerkennt. Bisher sind als Juden nur Kinder einer jüdischen Mutter anerkannt. Beilin begründet seinen Gesetzesvorschlag damit, dass im Zeitalter des DNA die Entscheidung nur nach der Mutter antiquiert ist. Mit dieser Gesetzesänderung könnten 300.000 Neueinwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die keine jüdische Mutter, aber einen jüdischen Vater haben, als Juden anerkannt werden.

Beilin geht in seinem Gesetzesvorschlag noch einen Schritt weiter und will nicht nur liberale Konversionen, sondern sogar säkulare Konversionen zum Judentum zulassen. "Wenn Leute sich als Juden ansehen, ... warum soll der Staat sie nicht als Juden anerkennen", sagte Beilin. Eine säkulare Konversion zum Judentum stellt sich Belin so vor, dass jemand seinen festen Willen ausdrückt, zum jüdischen Volk zu gehören, etwas Hebräisch spricht und sich um jüdische Angelegenheiten kümmert.

In der Gesetzesvorlage heißt es: Zum Zweck der Registrierung als Jude "soll jedes Individuum als Jude anerkannt werden , das zumindest einen jüdischen Elternteil hat oder das der jüdischen Religion durch eine religiöse Konversion beigetreten ist oder das sich dem jüdischen Volk in einer nicht religiösen Weise angeschlossen und sein Schicksal mit dem jüdischen Volk verbunden hat und das kein Mitglied einer anderen Religion ist."

Die israelischen Araber fordern die Rückkehr in ihre ehemaligen Dörfer

Auf einer Konferenz in Nazareth hat die rechtliche Vertretung der Araber in Israel, Mossawa, die Anerkennung der israelischen Araber als gleichberechtigte Bürger im Judenstaat gefordert. Dazu gehöre das Recht, in die Dörfer, aus denen die Araber 1948 vertrieben wurden, zurückzukehren. Damit vergebe der Staat sich nichts, weil das demographische Gefüge dadurch nicht beeinflusst werde, "weil wir ja (bereits) hier sind", wie es Jafar Farrah, der Direktor des Mossawa Zentrums ausdrückte. Ein Viertel aller israelischen Araber seien Flüchtlinge im eigenen Land.

Weiter forderte die Vertretung der Araber in Israel die Änderung der israelischen Fahne und der israelischen Nationalhymne, weil sich die israelischen Araber darin nicht wiedererkennen könnten. Die Araber seien bereit, vollgültige und loyale Staatsbürger Israels zu sein, mit allen Pflichten, forderten dafür aber auch alle Rechte.

Römischer Bogen gefunden

Bei der Renovierung der Hurva Synagoge haben Archäologen einen vollkommen erhaltenen römischen Bogen entdeckt, der ursprünglich der Eingang zum Cardo war, der Hauptstraße des römischen und byzantinischen heidnischen Jerusalems, in jenen Tagen Aelia Capitolina genannt. Nachdem der Cardo bereits nach der Wiedereroberung der Jerusalemer Altstadt in den siebziger Jahren ausgegraben worden war, ist dies der einzige erhaltene vollständige Bogen, 5 m hoch, der besseren Aufschluss über die Architektur der römischen Stadt gibt.

Bei den Ausgrabungen anlässlich des Wiederaufbaus der Synagoge, die 2003 begannen, entdeckten die Archäologen auch zahlreiche Gebäudeteile aus der Zeit des Zweiten und Ersten Tempels, darunter Brandspuren, die aus der Zeit der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 n.d.Z. stammen, sowie drei getünchte Ritualbäder aus der Zeit des Zweiten Tempels, die in den Felsen gehauen waren.

Die Hurva Synagoge war das Wahrzeichen des jüdischen Viertels bis zur arabischen Eroberung 1948, als sie niedergebrannt wurde. Sie war bis dahin die größte Synagoge des heiligen Landes und Jerusalems. Sie sieht auf eine bewegte Geschichte zurück, die in die Anfangszeit Jehuda ha-Hassids zurückgeht, der das Grundstück im Jahr 1700 gekauft hatte.

Jehuda ha-Hassid war einer der wichtigsten Prediger der Kryptoschabtaiiten gewesen, der durch Deutschland und Osteuropa zog und zahlreiche Anhänger um sich sammelte. Im Jahr 1700 kamen ca. 1500 Gläubige zusammen und brachen auf verschiedenen Routen, über Land und auf dem Seeweg, ins gelobte Land auf. An die 500 Gefolgsleute des Juda sollen dabei umgekommen sein. Knapp 1000 erreichten Jerusalem, wo zu der Zeit ca. 1200 Juden, darunter 200 Aschkenasen lebten.

Die Ankunft der sehr armen und ausgezehrten Juden, die offensichtlich der ketzerischen Lehre anhingen, verschlechterte die Situation der Juden in Jerusalem. Nachdem Juda das Land für den Synagogenbau gekauft hatte, starb er wenige Tage danach im Oktober desselben Jahres. Dies wurde allgemein unter Schabtaisten und orthodoxen Juden als böses Zeichen gedeutet. Zahlreiche Gefolgsleute des Juda zogen nach Europa zurück, manche traten zum Islam oder zum Christentum über, darunter Judas Neffe.

Einige Jahre später wurde auf dem von Juda erworbenen Grundstück mit dem Bau der Synagoge begonnen, aber das Schicksal war dem Bau weiterhin nicht hold. Die aschkenasische Gemeinde konnte die Schulden, die sie für den Bau bei Arabern aufgenommen hatte, nicht zurückzahlen, worauf die Araber das halbfertige Gebäude mitsamt der vierzig Torarollen darin verbrannten. Die Ruine erhielt so ihren Namen Hurva, Ruine. 140 Jahre blieb die Ruine in diesem Zustand bis Schüler des großen Talmudgelehrten, des Gaon von Wilna, sich der Ruine erbarmten und mit dem Neubau begannen.

Zwei Tage nach der Eroberung der Altstadt durch die arabische Legion 1948 meldete der Jordanische Offizier: "Zum ersten Mal seit 1000 Jahren ist kein einziger Jude im Jüdischen Viertel von Jerusalem zurückgeblieben. Kein einziges Gebäude ist intakt gelassen . Das macht eine Rückkehr von Juden für immer unmöglich."

Reste eines römischen Triumphbogens auf dem Tempelplatz gefunden

Die Zeitung Haaretz berichtete über einen Stein mit einer monumentalen Inschrift in Lateinisch, der nach Ansicht israelischer Archäologen aus einem Triumphbogen stammt, den die Römer anlässlich ihres Sieges über die Provinz Judäa in Jerusalem auf dem Tempelplatz errichtet haben. Es handelt sich sozusagen um ein Gegenstück zu dem berühmten Titusbogen in Rom, der aus selbem Anlass errichtet worden war. Über eine römische Bautätigkeit auf den Trümmern des zerstörten Jerusalems 60 Jahre vor Gründung der heidnischen Stadt Aelia Capitolina war bisher nichts bekannt.

Das Bruchstück ist 97 mal 75 cm groß und enthält 5 Teilzeilen einer längeren Inschrift, die den Sieg der Römer über Judäa festhält. Die Entdeckung des sensationellen Funds machte der ungarische Archäologe Tibor Grull bei einem Besuch des Tempelberges vor drei Jahren, als er sich zu Studienzwecken längere Zeit in Israel aufhielt. Die Verwaltung des Tempelberges, der moslemische Wakf, erteilte dem ausländischen Archäologen die Erlaubnis, den Stein zu photographieren und zu veröffentlichen. Leute des Wakf erklärten dem Archäologen, der Stein sei beim Wegräumen des Schutts vor dem Eingang zu den sogenannten Salomonstellen, die 1999 in eine Moschee umgebaut wurden, gefunden worden.

Die Inschrift enthält den Namen Flavius Silva, der durch den jüdischen Historiker Josephus Flavius als Eroberer der letzten jüdischen Festung im Land Israel nach der Zerstörung Jerusalems, Massada, in die Geschichte eingegangen ist. Flavius Silva war Gouverneur Judäas von 73 bis 80 nach der Zeitrechnung. Die Festung Massada in der judäischen Wüste am Toten konnte erst im Jahr 73 nach einer mühevollen Belagerung und der Aufschichtung eines Mammutwalls eingenommen werden. Flavius Silva und seine Soldaten fanden aber eine verbrannte Festung vor, dessen jüdische Verteidiger sich durch Selbstmord vor dem Schicksal, in römische Kriegsgefangenschaft verkauft zu werden, gerettet hatten.

Über den Verbleib des Steinfragments ist nichts bekannt. Wahrscheinlich befindet es sich noch im Besitz des Wakf, der jegliche Ausgrabungen auf dem Tempelplatz bisher abgelehnt hat.

Archäologische Schätze im Schutt des Tempelberges

Der Schutt vom Tempelberg, den die Palästinenser 1999 in Hunderten von Lastwagen ins Kidrontal kippten, entpuppt sich zu einer wahren Fundgrube zur Geschichte des Tempels und der Stadt Jerusalem. In einem nationalen Mammutprojekt, an dem Hunderte von Freiwilligen beteiligt sind, Studenten, Soldaten, Touristen und sogar ultraorthodoxe Rabbiner, die gemeinhin mit Archäologie nichts zu tun haben wollen, ist der gesamte Schutt auf einen Platz nahe der Hebräischen Universität auf dem Skopusberg gekarrt worden. Hier wird er durchsiebt und auf jedes kleinste Detail untersucht. Noch niemals ist in der Geschichte der israelischen Archäologie eine solche Masse Schutt untersucht worden.

Damals, als die Moslems in Eigenregie und ohne Erlaubnis der israelischen Behörden oder des Amtes für Altertümer begannen, den Schutt auf dem Tempelplatz wegzuschaffen, um einen breiten Eingang zu den sogenannten Pferdestellen König Salomos (der Name täuscht, die unterirdische Konstruktion stammt aus der Zeit Herodes des Großen) unterhalb des Tempelplatzes zu schaffen und dort eine unterirdische Moschee anzulegen, die mehreren Zehntausend Gläubigen Platz bietet, hatten israelische Archäologen und Politiker dies als größtes Verbrechen an der Geschichte Israels bezeichnet.

Das Unternehmen leiten die israelischen Archäologen Gabriel Barkai und Tsachi Zweig. Aus allen Perioden der Siedlungsgeschichte Jerusalems sind Funde ans Tageslicht gekommen, angefangen mit Steingeräten aus prähistorischer Zeit, die zehntausend Jahre alt sind, bis hin zu einer Gewehrkugel der Armee des Generals Allenby, der Jerusalem 1917 eroberte und damit die türkische Herrschaft über diesen Teil der Erde beendete.

Während die Funde aus der Zeit Davids und Salomos, der den ersten Tempel baute, recht gering sind, ist die Zeit danach, die der judäischen Könige besonders im achten und siebten vorchristlichen Jahrhundert, besonders reichhaltig vertreten, was zeigt, dass Jerusalem und der Tempelplatz in dieser Zeit einen besonderen Aufschwung erlebten. Funde aus dieser Zeit sind Steingewichte zum Abwiegen von Silber, geprägtes Silber, "Münzen", gab es in dieser Zeit noch nicht, sowie Stempel, Siegel, Kleingeräte, Schmuck und dergleichen.

Der interessanteste Fund ist ein Siegel, das den Namen Galijahu ben Imer trägt. Die Familie Ben Imer ist eine bekannte Priesterfamilie aus der Zeit des Propheten Jeremia. Im 20. Kapitel des Jeremiabuches wird berichtet, wie Paschhur ben Imer Jeremia verhaften ieß, als er dessen Unheilsbotschaft vernommen hatte. Ben Imer wird hier als Vorsteher im Haus des HERRN bezeichnet.

Aus der persischen Zeit wurden Kleinmünzen im Tempelschutt gefunden, eine trägt als Symbol die Athener Eule und daneben in althebräischer Schrift die aramäische Bezeichnung der Provinz Judäa "Jehud". Diese recht seltene Münze ist auf der modernen Ein-Schekel Münze des Staates Israel abgebildet, die heute noch in Umlauf ist. Weitere Münzfunde stammen aus ptolemäischer (ägyptischer) und seleukidischer (griechisch-syrischer) Zeit. Hunderte von hasmonäischen Münzen wurden gefunden, angefangen von Johann Hyrkanos des Ersten im zweiten vorchristlichen Jahrhundert bis hin zu Mattatja, dem letzten Hasmonäer, der Herodes dem Großen unterlag.

Aus der Zeit Herodes des Großen, wie die seines Nachfolgers Herodes Archelaos, der Zeit der römischen Prokuratoren, einschließlich der des Pontius Pilatus, sind zahlreiche Münzen und andere Kleinfunde ans Tageslicht gekommen. Erstaunlich ist nach Ansicht der Archäologen, dass auch aus byzantinischer Zeit, der christlichen Zeit Jerusalems, zahlreiche Funde gemacht wurden, darunter Münzen, Votivgaben und Öllampenscherben mit der Aufschrift "Das Licht Christi scheint allen schön". Bisher war angenommen worden, dass der Tempelberg in dieser Zeit öde und verlassen war. Neben Kleinfunden sind auch architektonische Elemente gefunden worden, die aus einer Kirche zu stammen scheinen.

Danach verebbt etwas der reiche Schatz an Fundstücken, vermutlich, weil, nachdem die islamischen Heilgitümer im 7. Jahrhundert fertiggestellt waren und der Platz sorgfältig ausgepflastert worden war, wenig in den Untergrund gelangen konnte, der jetzt weggeschafft wurde. So hat der Skandal, den die moslemische Ausschachtung 1999 hervorrief, mit der Durchsiebung des Schutts ein happy end gefunden, das aber längst noch nicht an sein Ende gelangt ist, denn Hunderte von Tonnen Tempelbergschutt gilt es noch zu durchsieben.

Der letzte Rabbiner verlässt Baghdad

Rabbi Emad Levy, der letzte amtierende Rabbiner von Baghdad, hat am letzten Jom Kippur bekannt gegeben, dass er die Isolierung, in der sich die Juden befinden, aufgeben und versuchen will, nach Israel auszuwandern. Levy ist einer der ca. ein Dutzend verbliebener Juden in Baghdad, das 1948 noch 100.000 Juden beherbergte.

Levys Vater hat gleich nach der Offensive der Amerikaner 2003 das Land verlassen. Er sei geblieben, um einen pflegebedürftigen Achtzigjährigen zu versorgen. Dieser sei jetzt in der Obhut von verlässlichen Kurden, so dass er von seiner Pflicht entbunden sei.

Ein Gemeindeleben gebe es nicht mehr, sagte Levy. So sei besonders der Jom Kippur sehr schwer für ihn gewesen, alleine in seinem Haus zu fasten. Die Juden Baghdads lebten wie in einem Gefängnis. Keiner traue sich, sein Haus zu verlassen, in der Furcht entführt oder ermordet zu werden. Alle verbliebenen Juden seien überaltert. Es gäbe keine Zukunft mehr für Juden im Irak. Nach 2500 Jahren ist das babylonische Exil an sein Ende gekommen.

Säkulare und religiöse Juden wollen nicht zusammen wohnen

Nach einer Umfrage der Organisation Zav Pius erklärten 62 Prozent ultraorthodoxer Juden, dass sie nicht in einem Haus mit säkularen Juden zusammen wohnen wollen. 57 Prozent der säkularen erklärten dasselbe gegenüber ultraorthodoxen Juden. Aber sogar von den gemäßigt religiösen sind 51 Prozent gegen ein Zusammenwohnen mit den Ultraorthodoxen. 50 Prozent der Säkularen und 37 Prozent der gemäßigt Religiösen sind der Ansicht, dass die Ultraorthodoxen Schmarotzer sind und den Staat ausnutzen. 7 Prozent der Ultraorthodoxen halten die säkularen Juden nicht für vollwertige Juden.

Zav Pius, auf Deutsch Einberufungsbefehl zur Versöhnung, ist eine vom Staat geförderte Organisation, die sich zur Aufgabe gesetzt hat, religiöse und säkulare Juden zusammenzubringen. Wie man sieht, gibt es da noch viel zu tun.

Genderfreundliches neues jüdisches Gebetsbuch

Die religiöse Schulbewegung Tali, die der konservativen Richtung im Judentum nahe steht, hat ein neues Gebetsbuch herausgebracht, dass die Kinder vom zarten Alter an ein neues Verständnis vom Verhältnis der Geschlechter beibringen und sich der modernen Welt anpassen will. Mehr oder weniger ist es ein gekürztes orthodoxes Gebetsbuch, in entscheidenden Fragen aber abgewandelt.

So ist neben der maskulinen Form "mode ani" (ich danke dir) auch die feminine zur Auswahl gestellt, "moda ani". Entscheidende Partien in den Morgensegenssprüchen sind abgewandelt. Statt "Ich danke dir, dass du mich nicht zum Sklaven gemacht hast", heißt es "Ich danke dir, dass Du mich frei gemacht hast"; statt "dass du mich nicht als Frau erschaffen hast": "dass du mich nach Deinem Ebenbild erschaffen hast". Neben den drei Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob werden auch die vier Erzmütter erwähnt, Sara, Rebecka, Lea und Rahel.

Gegenüber Kritikern, dass sich damit das Schulwerk aus dem bisherigen Konsensus herauslöse, in dem es ein abweichendes Gebetsbuch geschaffen habe, das es den Kindern später schwerer mache, sich in einem orthodoxen Gottesdienst zurechtzufinden, sagten die Autoren, ein allgemein verbindliches orthodoxes Gebetsbuch gäbe es ohne hin nicht und dies sei ein weiteres unter einer Reihe von Gebetsbüchern.

Auch im reichlichen Bilderschmuck weichen die Autoren vom Herkömmlichen ab. Sie zeigen nicht immer kleine Jungens mit der gewöhnlichen Kippa, sondern auch mit einer Baseball-Kappe und anderen Kopfbedeckungen, während Mädchen hin und wieder eine Kippa tragen.

Das neue Gebetsbuch gibt es bisher nur in Hebräisch, es soll aber auch mit Übersetzung in Amerika erscheinen und in anderen Ländern, die für den neuen Weg der Talischulen offen sind.

Der lange Weg der Herzl-Kinder zum Grab des Vaters

Die Zeremonie auf dem Herzlberg in Jerusalem an einem strahlenden Mittwoch Nachmittag hatte alles von einem happy end einer griechischen Tragödie in sich. Nach 76 Jahren wurden die Gebeine der beiden Herzl Kinder Hans und Pauline dem Wunsch ihres Vaters entsprechend auf dem Berg, der den Namen der Familie trägt, beigesetzt. Die Zionistische Bewegung hatte sich lange gegen diesen Akt gewehrt, jetzt bekannte der Vorsitzende dieser Bewegung, Zeev Bielski, dass "menschliche Gerechtigkeit" gesiegt habe.

Das Schicksal der Kinder Herzls ist das klassische Beispiel der Kinder eines großen Mannes, die an dieser Größe zugrunde gingen. Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus hatte sein kurzes Leben und sein Vermögen ganz dieser Idee, der Idee des Judenstaates, gewidmet. Und es muss mit Recht gefragt werden, ob der Staat Israel jemals entstanden wäre, wenn dieser Herzl nicht sein Letztes für die Erfüllung dieses Traums gegeben hätte, denn was Herzl vorgefunden hatte, waren die Bemühungen gutmeinender "Freunde Zions", die buchstäblich mit ihren Händen den harten Boden Palästinas umgruben, aber ohne jedes staatsmännisches und politische Konzept.

Als Herzl 1904 gerade 44 Jahre alt starb, hinterließ er eine Witwe und drei kleine Kinder ohne jedes Vermögen. Nachdem auch die Frau Herzls 1910 starb, blieben die drei Waisenkinder der Fürsorge der Zionistischen Organisation ausgeliefert, der sie Herzl in seinem Testament anvertraut hatte. Herzl hatte aber noch anderes in seinem Testament von der Zionistischen Organisation gefordert, er verlangte, dass, wenn sich sein Traum erfüllt haben würde, er und seine nächsten Anverwandten im neu entstandenen Judenstaat beigesetzt werden mögen, Seite an Seite.

Die Kinder Herzls genossen eine recht und schlecht verlaufende Erziehung auf Kosten der Zionisten in England. Pauline, die älteste Tochter Herzls, hatte ein Leiden der Mutter geerbt und galt als geistig krank. In dieser ihrer Krankheit, die nur mit Tabletten ertragen werden konnte, konnte auch ihr jüngerer Bruder Hans, selbst völlig mittellos, nicht helfen. Als Pauline im September 1930 vermutlich an einer Überdosis an Tabletten in Bordeaux starb, konnte ihr Bruder seine Skrupel, nicht genügend seiner Schwester beigestanden zu haben, nicht überwinden. Nachdem er aus London angereist drei Tage kopflos durch Bordeaux herumgeirrt war, ging er schließlich in einen Laden, kaufte einen Revolver und erschoss sich, noch ehe seine Schwester begraben worden war. In einem Abschiedsbrief verlangte Hans, im Sarg seiner Schwester gemeinsam mit ihr begraben zu werden. Auch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt.

Hans Herzl hatte besonders unter der Größe seines Vaters gelitten. Von der Zionistischen Organisation unterhalten, konnte er sich mit deren Gedankengut und dem Erbe seines Vaters nicht anfreunden. Die zionistische Idee hielt er für einen fatalen Irrtum des Judentums. Seine Gedanken ähnelten denen des frühen Theodor Herzls, das Judentum solle eine Symbiose mit dem Christentum eingehen, den Papst anerkennen und gemeinsam für ein jüdisch-christliches Erbe in dieser Welt kämpfen. Die Staatenlosigkeit des Judentums sei gerade seine Stärke. Schließlich trat Hans Herzl zum Christentum über, was ihn zum absoluten Außenseiter stempelte.

"Ich bin eine einsame, verzweifelte, traurige und bittere Gestalt", schrieb Hans Herzl ein Jahr vor seinem Selbstmord an seinen Freund Marcel Sternberger. "Niemand hört auf einen Konvertiten. Ich habe alle meine Brücken verbrannt. Mein Leben ist ruiniert. Niemand würde es bedauern, wenn ich eine Kugel durch meinen Kopf jagte. Ich kann so nicht weiterleben."

Sternbergers Frau, Ilse, veröffentlichte 1994 die Biographie der Herzl Kinder unter dem treffenden Titel "Princes without a Home", fußend auf einer Biographie ihres Mannes über Hans Herzl in den 40er Jahren, deren Erscheinung die zionistische Organisation aus Sorge um die Reputation des Gründers der Zionistischen Bewegung aber zu unterdrücken gewusst hatte. Die Zionistische Organisation kam auch einer weiteren Bitte der Kinder nicht nach, neben ihrem Vater in Wien begraben zu werden, aus demselben Motiv heraus. Über die Kinder Herzl sollte möglich wenig an die Öffentlichkeit dringen.

Hans Herzl soll dann zum Judentum zurückgekehrt sein, vermutlich schließt man das daraus, dass er neben seiner Schwester Pauline auf dem jüdischen Friedhof in Bordeaux begraben wurde. Immerhin hat dieses Argument dem sefardischen Oberrabbiner Shlomo Amar geholfen, ein halachisches Gutachten abzugeben, das die Überführung der Gebeine der Herzlkinder nach Jerusalem ermöglichte.

Anstoß für diese Rückführung hatte der Historiker Ariel Feldstein gegeben. Er hatte vor sechs Jahren im zionistischen Archiv in Jerusalem das Testament Theodor Herzls ausgegraben und darin den Wunsch des großen Mannes gefunden, mit den Gebeinen seiner nächsten Anverwandten in Jerusalem seine letzte Ruhestatt zu finden. Diesen Wunsch hatte Israel 1949, als die Gebeine Herzls von Wien nach Jerusalem überführt wurden, wie gesagt, bewusst nicht erfüllen wollen, jedenfalls was die Kinder Herzls betraf. Vater, Mutter und Schwester Herzls ruhen tatsächlich auf dem Herzlberg neben ihrem großen Anverwandten.

Feldstein hat seit seiner Entdeckung keine Ruhe gegeben und versucht, die wichtigsten Politiker des Staates und der Zionistischen Organisation zu überzeugen, dass endlich Gerechtigkeit der Familie des Judenstaatgründers geschehen müsse. Nachdem der sefardische Oberrabbiner, der selbst nach London und Bordeaux gereist war, um die Hintergründe der Familiengeschichte zu erörtern, sein Placet gegeben hatte, konnte die Überführung vonstatten gehen. In Bordeaux wurden unter dem Beisein von Vertretern der jüdischen Gemeinde und des Staates Israel die Gebeine ausgegraben. Paulines Leichnam hatte sich in einem Eisensarg, wie die Presse zu berichten wusste, erstaunlich gut erhalten, während von dem Leichnam von Hans in dem armen Holzsarg nicht viel übriggeblieben war.

Am Mittwoch, den 20. September 2006, fast auf den Tag 76 Jahre nach dem Tod der Geschwister, war es dann soweit, Mitglieder der zionistischen Jugendorganisation trugen die Särge von Hans und Pauline zu ihrer letzten Ruhestätte neben dem Grab ihres Vaters. Gavriel Herzl, ein entfernter Verwandter der Familie, sagte das Kaddisch, das Totengebet, Ministerpräsident Ehud Olmert hielt eine Ansprache und sprach nicht nur von einer "nationalen, sondern auch menschlichen Pflicht" dem Begründer des modernen Zionismus gegenüber.

Es fehlten der Oberrabbiner Amar, der die Rückführung ermöglicht hatte, wohl als Reaktion auf die scharfe Kritik, die er vom ultraorthodoxen Lager für seine Entscheidung hatte einstecken müssen. Es fehlte auch der orthodoxe Bürgermeister der Stadt, Uri Lupolianski. Es fehlten auch Politiker, die ihre Abneigung über die Beerdigung eines "Konvertiten zum Christentum" auf dem heiligen Herzlberg öffentlich bekannt machten.

Immerhin, Gerechtigkeit ist dem letzten Willen des Judenstaatgründers schließlich geschehen, "besser spät als niemals", sagte eine weitere entfernte Verwandte der Familie, Liora Herzl. Aber ganz konnte das Testament Herzls nicht erfüllt werden. Trude Herzl, das dritte Kind und die jüngste Tochter Herzl, die ihren Vater nicht mehr bewusst kennen gelernt hatte, weil sie bei seinem Tod zu klein war und ihr Vater auch sonst selten zu Hause war, Trude Herzl konnte nicht in Jerusalem beigesetzt werden. Trude, die von der Nachricht vom Tod ihrer Geschwister in Wien überrascht worden war, wurde nach dem Anschluss Österreichs von den Nazis nach Theresienstadt verschleppt, wo sich die Spuren ihres weiteren Lebens verwischen. Ihr Grab, wenn sie ein eigenes je hatte, ist unbekannt. Ihr Sohn, der einzige direkte Nachkomme des Zionistenführers, nahm sich 1946 durch einen Sprung von einer Brücke in New York das Leben.

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