Mit heißem Herzen
Die Pilgerfahrt des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland in das Heilige Land
von Jörg Bremer

Bis auf eine Exkursion nach Brüssel ist der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) noch nie und schon gar nicht komplett ins Ausland gereist. So war die fast einwöchige Pilgerfahrt ins Heilige Land etwas Besonderes. "Dies ist der Ort, an dem der Fuß Gottes die Erde berührt hat", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Huber zur Begründung. Für den Ort passt aber auch seine Umschreibung, er biete die "größtmögliche Anzahl von Problemen auf kleinstmöglichem Raum". Nichts erscheint einfach, und so resümierte die EKD mit der Feststellung: "Mit heißem Herzen haben wir teilgenommen an dem Leid, das im Heiligen Land unübersehbar ist." Gerade deswegen habe ihn hier der Osterjubel mehr ergriffen als anderswo und eine Hoffnung geweckt, die "über den Horizont bitterer Erfahrungen hinausführt", sagte Huber in seiner Abschiedspredigt.

Das dichte Programm war ein Spiegel des Engagements deutscher evangelischer Christen im Heiligen Land. Es ging um die Klärung der Beziehung zu der palästinensischen Partnerkirche; aber auch um das Bekenntnis zum deutsch-jüdischen Erbe. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts leben Deutsche in der Region, zunächst ausgeschickt von einer britischen Gesellschaft zur Missionierung der Juden. Später kamen, davon unabhängig, Archäologen und Handwerker, dann die freikirchlichen "Templer" aus dem Württembergischen. 1841 hatte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zusammen mit Königin Victoria das preußisch-anglikanische Bistum errichtet, das sich 1886 auflöste, weil die Deutschen unabhängig agieren wollten. Nach der Trennung wirkten der anglikanische Bischof und der deutsche Propst unabhängig und gleichrangig nebeneinander.

Der 1852 in Berlin gegründete Jerusalem-Verein unterstützte den Aufbau evangelischer Institutionen und unterschied zunächst nicht, ob sie allein den Deutschen im Heiligen Land dienen sollten oder vor allem der wachsenden Zahl von Arabern. Anstatt die alten Ortskirchen - vor allem die griechisch-orthodoxe Mutterkirche - zu stärken, nahmen nämlich Protestanten und Katholiken den alten Denominationen immer mehr Gläubige weg. Stärker als andere Nationen halfen die Deutschen freilich beim Aufbau moderner Krankenhäuser und Schulen; so Theodor Fliedner mit seinen Diakonissen aus Kaiserswerth vor Düsseldorf, welche die Mädchenschule "Talitha Kumi" gründeten, oder der württembergische Pietist Johann Ludwig Schneller, der das "Syrische Waisenhaus" baute, die später wichtigste Einrichtung in Jerusalem; genauso groß wie die Altstadt - ein Areal mit Schulen, Werkstätten, Druckerei und Wohnhäusern.

Vor allem Kaiser Wilhelm II. förderte nicht nur die Mission; er wollte dem deutschen Protestantismus im Heiligen Land eine bleibende Heimat geben. So wurde 1889 die Evangelische Jerusalem-Stiftung gegründet, 1898 die Erlöserkirche eingeweiht und vor einhundert Jahren der Grundstein für die Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg gelegt, die den Namen der frommen Kaiserin Auguste Victoria bekam. Um diese Institution an den preußischen Protestantismus zu binden, beauftragte der Kaiser den Johanniterorden, den Schutz über Kirche und Hospiz auf dem Ölberg zu übernehmen. Der Erste und der Zweite Weltkrieg unterbrachen dieses Wirken. Der 1947 gegründete Lutherische Weltbund übernahm nach innen die Treuhänderschaft über einen großen Teil des Geländes der Kaiserin Auguste Viktoria Stiftung, wurde aber nach außen als Eigentümer eingetragen. Die Jerusalem-Stiftung mit der Erlöserkirche fiel 1951 an die EKD.

In den folgenden Jahren lösten sich die arabischen Protestanten von ihrer deutschen Mutterkirche. Sie gründeten 1959 die Evangelisch-Lutherische Kirche von Jordanien, die zunächst noch dem Propst unterstand und seit 1979 einen eigenen Bischof hat. Ihr dritter Oberhirte ist der in Finnland ausgebildete Munib Younan. Er ist zugleich ein Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes. Zu seinen Gemeinden gehören wohl derzeit 2000 Mitglieder, eine wegen der andauernden Auswanderung leider schwindende Zahl. Bischof Younan hat seinen Sitz - wie der Propst - in der Propstei bei der Erlöserkirche, was immer wieder zu Spannungen führte. Die sollen nun durch den neuen Partnerschaftsvertrag zwischen EKD und seiner Evangelisch- Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land ausgeräumt sein. Zugleich hofft die EKD darauf, mit diesem Vertrag langfristig auch die Wirkungsmöglichkeiten der EKD in den lutherischen Kirchen auf der Welt ausdehnen zu können.

Die Vereinbarung ändert aber nichts am Eigentum der deutschen Stiftungen. Der Propst bleibt als EKD- und Stiftungsrepräsentant Hausherr in ihren Einrichtungen. Die deutsche Gemeinde und die palästinensische Kirche arbeiten getrennt, wollen sich aber partnerschaftlich helfen. Der palästinensische Bischof Younan ist damit aber offenbar nicht zufrieden. In seiner Predigt zur Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena nach dem Markus-Evangelium meinte er, die Deutschen seien ins Heilige Land gekommen, um die lokale Kirche zu gründen und ihr "spirituelle Unterstützung" zu gewähren. Er nannte die englischsprachige Gemeinde als Beispiel, die sich dem palästinensischen Bischof unterstellt hat. Das werden die deutschen Protestanten aber nicht tun. Sie sehen sich auch als Ortskirche deutscher Sprache und Tradition. Die etwa 200 Glieder starke Gemeinde mit ihren vielen tausend Pilgern in jedem Jahr sieht weiter im Propst ihren Hirten, der sich nicht dem palästinensischen Bischof unterordnet. So sollte zum Beispiel bei einem gemeinsamen Gottesdienst der Segen gemeinsam mit dem Propst und nicht vom palästinensischen Bischof allein gespendet werden.

Es war bezeichnend, dass beim Festgottesdienst zur Unterzeichnung des Vertrages über die Kirchengemeinschaft in der Himmelfahrtskirche eine Lesung aus der jüdischen Bibel fehlte. So wird auch in dem Vertrag mit der nationalpalästinensischen Kirche die direkte Bezugnahme zum Volk Gottes vermisst. Es wird nur indirekt das Verhältnis der beiden Kirchen zum jüdischen Volk durch eine Bezugnahme auf den Brief des Apostels Paulus an die Römer angeführt. Das aber ist weder der deutschen Gemeinde und ihrem Propst noch der EKD genug. So besuchte der EKD-Rat ausführlich die Gedenkstätte Yad Vashem, die Huber als "unser Tor nach Israel bezeichnete", und vereinbarte mit dem aschkenasischen Oberrabbiner Mezger regelmäßige Arbeitskontakte. Nach deutscher Auffassung kann die Hilfe für die palästinensische Partnerkirche nur dann stark sein, wenn sie von der nationalpalästinensischen Kirche unabhängig bleibt und sich als Brücke zu Israel und dem jüdischen Volk versteht.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.04.2007

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