Gastfreundschaft
Eine kleine Nachlese zum Kirchentag in Köln
von Günther B. Ginzel
Am Anfang stand das Gedenken - und das war für den
31. Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) in Köln gänzlich
neu konzipiert worden. Dementsprechend groß war die Aufmerksamkeit
zumindest der Lokalpresse. Schade nur, dass sich das Interesse vieler
Journalisten an jüdischen Themen wie so oft auf die Erinnerungsarbeit
konzentriert. So blieb ihnen verborgen, in welchem Umfang besonders das
"Jüdische Lehrhaus" lebendiges, vielfältiges jüdisches
Leben von heute präsentierte. Vielfalt, das wäre sicher die
zutreffende Beschreibung für die speziell jüdischen Anteile
im Programm des "Zentrums Christen - Juden". Es reichte von
der jüdischen Jugendarbeit bis zur ersten innerjüdischen (orthodoxliberalen)
Dialogbibelarbeit. Und es wurde getanzt, gesungen, gelacht - aber vor
allem gelernt.
Langjährigen Kirchentagsbeobachtern fiel der große
Andrang zu fast allen Veranstaltungen auf. Das galt auch für die
Nahostforen - die sicher in der Nacharbeit noch strittig diskutiert werden
dürften. Vielleicht haben sich die traditionellen Podien überholt.
Auch ein Kirchentagspublikum fährt, so scheint es wenigstens, beim
Thema Israel allzu bereitwillig eher auf knackige Polemik ab als auf differenzierte
Analysen.
Zu den Highlights des "Zentrums Christen - Juden"
zählte das ungewöhnliche Engagement der beiden jüdischen
Gemeinden in der Domstadt. In einjähriger Vorarbeit mit der AG Christen
- Juden beim DEKT haben sie Programme entwickelt, die wie ein Magnet die
Besucher anzogen. So beteiligten sich beide jüdischen Gemeinden am
Kirchentag und luden dessen Besucher zu zahlreichen Veranstaltungen in
ihre Gemeindehäuser. Das Angebot der Synagogengemeinde Köln
reichte von Führungen durch die Synagoge bis zum "Kennenlernen
des neuen jüdischen Wohlfahrtszentrums im ehemaligen Israelitischen
Asyl". Als besondere Geste gegenüber dem Kirchentag lud die
Synagogengemeinde zu einem bunten Abend ein, einer musikalischen Reise
mit Chansons der Zwanziger und Dreißiger Jahre.
Zum Renner wurde die Einladung der jüdisch-liberalen
Gemeinde Gescher la- Massoret. Sie bat zu "einem Schabbat in unsere
Gemeinde". Nicht nur der Vorstand, sondern auch viele Gemeindemitglieder
fühlten sich als Gastgeber, die die Kirchentagsteilnehmer herzlich
aufnahmen. Vorträge, Diskusssionen, Gottesdienste und viele Gespräche
am Rande ließen manche Besucher den gesamten Samstag bis zur Hawdala
in der Gemeinde verbleiben. Dabei ist das Kunststück gelungen, einen
typischen Gescher-Schabbat mit gemeinsamen Beten, Singen, Essen und Lernen
zu gestalten, der die Gäste nicht auf die Rolle der Zuschauer beschränkte,
sondern mit einbezog.
Fazit: Sowohl die Einheitsgemeinde wie die Liberalen haben
den Kirchentag genutzt, um sich als ausgezeichnete Gastgeber zu präsentieren.
Jüdische Allgemeine, 21.6.2007
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