Mission: (Im)possible
Dresden: Juden und Christen diskutierten ohne Ergebnisse
von Gundula Schmidt-Graute
Am Thema Judenmission scheiden sich christliche und jüdische
Geister gehörig. Dennoch nahm sich die erste offene Vorstandssitzung
der Gesellschaft für Christlich- Jüdische Zusammenarbeit Dresden
dieses schwierigen Feldes an. Die zehn Mitglieder hörten sich zunächst
ein Referat der evangelischen Theologin Esther Pofahl über die Geschichte
der Judenmission in Deutschland und über die Schwierigkeiten des
theologischen Umgangs mit der Schoa an. Darin ging Pofahl auch auf die
Interpretation der Stellen im Neuen Testament ein, die nach wie vor als
"Missionsbefehl" aufgefasst werden.
Die anschließende Diskussion offenbarte die unterschiedlichen
Auffassungen. Während die christlichen Mitglieder - bei entschiedener
Ablehnung jeglicher Form christlicher Mission unter Juden - zumindest
Verständnis für die Motive der missionierenden Christen aufbrachten,
wendeten sich die beiden jüdischen Mitglieder energisch dagegen.
Marion Kahnemann, jüdisches GCJZ-Vorstandsmitglied, lehnte jegliche
Mission schlicht als "kolonial" ab.
Dennoch blieb die Diskussion theoretisch. Zwar scheint
es in Dresden keine organisierte Judenmission zu geben, Versuche seien
jedoch unternommen worden, sagt Elena Tenajewa, Sozialarbeiterin in der
jüdischen Gemeinde Dresden. Tenajewa erzählte vom Runden Tisch,
zu dem sich bis vor etwa einem Jahr in den Räumen der Gemeinde Zuwanderer
aus der ehemaligen Sowjetunion mit interessierten Deutschen zum Kennenlernen
und zur deutschen Konversation trafen. Immer wieder seien dort auch Christen
aufgetaucht, die versucht hätten, die jüdischen Zuwanderer zu
missionieren. "Die Einwanderer sind total entwurzelt und damit leichter
zu erreichen. Es ist ja ein langer Weg zum Judentum", erklärt
die Sozialarbeiterin die Gefahr.
Marion Kahnemann erinnert sich an Erlebnisse in zwei evangelischen
Kirchen in der Dresdner Neustadt, wo etwa neue Mitglieder aus der Ukraine
begrüßt worden seien. Ein messianischer Jude aus Australien
habe vor vollem Haus referiert und große Zustimmung erfahren. Die
Kirchen selbst sind sich keiner Schuld bewusst. Matthias Oelke, Sprecher
der evangelischen Landeskirche, betont, dass die Landeskirche Mission
unter Juden ablehne. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte verbiete
sich Judenmission ohnehin, sagt er, es gehe vielmehr darum, gemeinsam
mit den jüdischen Gemeinden die christlich-jüdische Tradition
in einem säkularisierten Umfeld bekannt zu machen. Christen förderten
und unterstützten jüdische Gemeinden bei ihrem Aufbau. Allerdings
habe die Kirche nicht auf jede Veranstaltung in den einzelnen Gemeinden
Einfluss, und gerade in der Neustadt agierten die amtskirchlichen Gemeinden
in einem Umfeld, das von evangelikalen Freikirchen geprägt sei. Auch
Michael Baudisch, Sprecher des Bischofs von Dresden-Meißen betont,
dass die katholische Kirche nicht aktiv unter Juden missioniere.
Jüdische Allgemeine, 24.5.2007
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