Gratulation für das Holocaust-Mahnmal
von Christian Böhme

Der Erfolg ist grau, zählt 2.711 Stelen und mißt 20.000 Quadratmeter. Eine stattliche Größe für ein Kunstwerk. Aber nicht nur das Monumentale, das Augenfällige zeichnet das rechteckige Feld mitten in Berlin aus. Das ungewöhnliche Denkmal ist begeh- und greifbar. Eines, das man mit den Sinnen erspüren kann, ja soll. Und die Menschen nutzen diese Gelegenheit. Schätzungsweise 3,5 Millionen Besucher haben das Holocaust-Mahnmal seit seiner Eröffnung vor einem Jahr besucht. Eine in Beton gegossene Attraktion mitten in Berlin. Ein Ort, an den man gerne geht. Wer hätte das gedacht. Nach all den quälenden Diskussionen über das Für und Wider von Peter Eisenmans Entwurf, den Streitigkeiten über die Zähne von Opfern der Schoa, über Currywurstbuden, Stelenspringer oder Besucherpavillons für Gastronomie und Sanitäranlagen. Die Menschen außerhalb der Debattenzirkel scheint das herzlich wenig zu interessieren. Was für Kritiker ein Stein des Anstoßes ist, nehmen sie einfach (manchmal allzu salopp) in Beschlag. Jeder für sich und auf seine Art. Genau wie es sich der Architekt erhofft hatte: ein in alle Richtungen offenes Kunstwerk, nicht nur geographisch. Genau das ist die Stärke des "Denkmals für die ermordeten Juden Europas". Es zwingt dem Besucher keine Botschaft auf: Platz für eigenes Denken statt Moralkeulen und Kranzabwurfstellen.

Ist das die von manch einem befürchtete Trivialisierung des Gedenkens an das größte Menschheitsverbrechen, die Banalisierung des Bösen? Bestimmt nicht. Denn da ist der "Ort der Information" vor. Unterhalb des Mahnmals gelegen, kennt die kleine Ausstellung nur ein Thema: die Schoa. 500.000 Menschen haben sie gesehen. Und wer nach dem Rundgang durch die vorzügliche Dokumentation die Treppen nach oben steigt und das Stelenfeld wieder betritt, der sieht es mit anderen Augen. Es beginnt die große Unsicherheit. Und das ist schon etwas Besonderes in unserer ach so auf- und abgeklärten Welt.

Jüdische Allgemeine, 11.5.2006

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