„Der Judenmission ist abzusagen“ – Die Differenzierung des „Zeugnisses“

von Robert Brandau

 

Innerhalb der Theologischen Fakultät blieb es nicht bei der Erklärung der 13 Professorinnen und Professoren. 7 Mitglieder der Fakultät richteten am 20.7.1992 einen offenen Brief, verbunden mit einer Stellungnahme, an den Präsidenten der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, E. Krömer. Der Brief wurde an verschiedenen Stellen veröffentlicht. Im Wortlaut heißt es:

 

»Sehr geehrter Herr Dr. Krömer!

Der Vertreter der Göttinger Theologischen Fakultät in der Landessynode hat in deren Sitzung am 8.5.1992 anläßlich des Berichtes des Ausschußes für Weltmission und Ökumene ein Votum abgegeben, in dem er der ›Judenmission‹ das Wort redet, eine Aussage über das geschwisterliche Verhältnis von Christen und Juden beanstandet, Warnungen vor neuem Antisemitismus abzuschwächen sucht und den Aufruf zu einer angesichts von ›Auschwitz‹ nötigen Neubesinnung der Theologie in Frage stellt.

Das hat in der kirchlichen und außerkirchlichen Öffentlichkeit erhebliche Irritationen und Kritik ausgelöst.

13 Kollegen und Kolleginnen an der Fakultät haben sich deswegen veranlaßt gesehen, eine Erklärung zum ›Christlichen Zeugnis gegenüber den Juden‹ zu veröffentlichen ..., die auf eine Unterstützung dieses Votums hinausläuft, obwohl sie den anstößigen Begriff ›Judenmission‹ vermeidet.

 

Als Mitglieder derselben Fakultät erlauben wir uns im Blick auf beide Vorgänge Ihnen die folgende Stellungnahme zu übersenden mit der Bitte, sie den Mitgliedern der Synode zur Kenntnis zu geben. Wir bitten auch um Ihr Verständnis, daß wir dieses Schreiben als offenen Brief herausgeben. Das sachliche Gewicht der hier zur Debatte stehenden Fragen und das in vielen kirchlichen wie außerkirchlichen Kreisen bestehende Interesse lassen uns diesen Weg angebracht erscheinen.

 

In der Begegnung mit Menschen aller Religionen und Weltanschauungen haben Christen das in Jesus Christus offenbare Heil Gottes zu bezeugen. Nach den zahlreichen Fehlwegen christlicher Mission können sie das nur selbstkritisch tun und ihr Zeugnis nur bewähren, indem sie auch die Überzeugungen der anderen achten.

 

In der Begegnung mit Juden haben Christen sich der engen, unlösbaren Verbindung der Kirche mit Israel als dem Bundesvolk Gottes bewußt zu sein. Die wegen der Treue Gottes bleibende Erwählung des jüdischen Volkes gibt dem Verhältnis von Christen und Juden einen besonderen Charakter. Christliches Zeugnis gegenüber Juden kann daher nicht einfach dem allgemeinen Zeugnis gegenüber allen anderen Menschen zugeordnet werden.

 

›Judenmission‹ war und ist für Juden entscheidend verbunden mit der Erinnerung an gewaltsame Unterdrückung, zwangsmäßig durchgeführte oder gesellschaftlich aufgenötigte Übertritte und Taufen. Angesichts dessen müssen die Kirchen alle judenmissionarischen Aktivitäten grundsätzlich überdenken. Der ›Judenmission‹ ist abzusagen, da der Vater Jesu Christi der Gott Israels ist und Christen daher mit Juden eine wesentliche Grundlage des Glaubens gemeinsam haben.

 

Christen in Deutschland sind durch eine lange Tradition der Entfremdung und Feindschaft gegenüber den Juden in die Vorgeschichte und die Geschichte der Judenvernichtung im ›Dritten Reich‹ verwickelt. Christliches Zeugnis gegenüber Juden muß daher in Deutschland das Bekenntnis der eigenen Schuld und Mitverantwortung miteinbeziehen. Dadurch wird die Botschaft des Neuen Testaments nicht verschwiegen oder verfälscht, sondern in geschichtsbewußter Weise erneut zur Sprache gebracht.

 

Trotz ›Auschwitz‹ wagen Juden es heute wieder, in Deutschland zu leben. Neu erstandene jüdische Gemeinden geben uns ein Zeugnis ihres Glaubens. Wir nehmen das bewegt wahr und freuen uns über die dadurch eröffnete Möglichkeit zu Begegnung und Dialog.

 

Göttingen, den 20.7.1992

 

Christoph Bizer, Eberhard Busch, Manfred Josuttis, Gerd Lüdemann, Berndt Schaller, Klaus Schwarzwäller, Hartmut Stegemann

Professoren an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität

 

In der Sprache und im Duktus bezieht sich die Stellungnahme der Göttinger »7« deutlich auf den Rheinischen Synodalbeschluss und die EKD-Studie »Christen und Juden II« von 1991. Dies ist nicht zufällig so, gehörte doch Schaller zu den Mitverfassern der Studie.

Als grundlegend für alle weiteren Ausführungen hat die zwischen den Ziffern 1 und 2 stattfindende Differenzierung zwischen der selbstkritischen, respektvollen missionarischen Begegnung der Christen mit Menschen aller Religionen und Weltanschauungen einerseits und der besonderen Begegnung der Kirche mit Israel als dem Bundesvolk Gottes auf Grund der bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes andererseits zu gelten.

Die Formulierung »In der Begegnung mit Menschen aller Religionen und Weltanschauungen ...«[1] erinnert an das biblische panta ta ethnä (Mt 28,19). Die Stellungnahme rezipiert den üblichen biblischen, frühjüdischen und patristischen Sprachgebrauch, wenn sie alle Religionen und Weltanschauungen exklusiv und nicht inklusiv Israel versteht. »Kommt das Neue Testament auf die Welt der Völker zu sprechen, so sind die Völker in der Regel Gegenbegriff (Relationsbegriff) zu Israel. Die Völkerwelt wird von Israel her anvisiert.«[2] Die Stellungnahme widerspricht somit einem universalistischen Verständnis, das hinter der Erklärung der Göttinger »13« steht, nach dem Israel mit dem Kommen Christi von selbst in die Reihe der anderen Völker zurücktritt und in den Missionsbefehl an »alle« Völker eingeschlossen wird (Subsumtionsmodell).[3]

 

In der Wortwahl dieser These 1 der Erklärung der Göttinger »7« drückt sich implizit die Rezeption ökumenischer Dialog- und Missionstheologie aus. In deutlicher Abgrenzung zu einem ökumenischen und dann auch zu dem in der Erklärung der Göttinger »13« verwendeten universalistischen Missionsverständnis, wird dann allerdings die Begegnung mit dem Judentum aus sachlich-theologischen Gründen voneinander abgegrenzt.

 

Israel als das bleibend erwählte Gottesvolk kann deshalb nicht dem allgemeinen missionarischen Zeugnis der Kirche, wie es allen anderen Menschengegenüber zu gelten hat, zugeordnet werden.

 

Inhaltlich nimmt die Stellungnahme der Göttinger »7« damit Differenzierungen vor, wie sie aus der niederländischen Israel- und Missionstheologie, aus Barths Israellehre, seiner Stellungnahme zur Judenmission, aus dem Rheinischen Synodalbeschluss und der EKD Studie »Christen und Juden II« bekannt ist.

 

Die genaue Analyse der Wortwahl zeigt, dass These 2 der Stellungnahme bis in die Wortwahl hinein eine Rezeption des Rheinischen Synodalbeschlusses darstellt.[4] Dies bedeutet, dass das christliche Zeugnis dem Judentum gegenüber auf Grund der bleibenden Erwählung Israels kein missionarisches Zeugnis mit dem Ziel sein kann, die Existenz des erwählten Gottesvolkes in die heidenchristliche Kirche hinein aufzuheben.

 

Erst in These 3 wird der umstrittene Begriff Judenmission gebraucht. Hier wird eine doppelte Differenzierung vorgenommen. Einerseits wird mit Verweis auf die problematische Praxis der Judenmission (Unterdrückung, Nötigung, Zwangstaufen) die Forderung erhoben, aus eben diesen historischen Gründen die Judenmission grundsätzlich zu überdenken.

 

Diesem historischen Argument wird nun ein weiteres theologisches zur Seite gestellt, das als Grundlage dazu dient, der Judenmission kategorisch eine Absage zu erteilen: Da der Vater Jesu Christi der Gott Israels sei, teilten Juden und Christen eine wesentliche Grundlage ihres auf dieser Basis gemeinsamen Glaubens.[5]

 

Nicht nur die bleibende Erwählung Israels als Gottesvolk, sondern die gemeinsamen Glaubensgrundlagen verwehren der (heiden)christlichen Kirche die Judenmission, so der zentrale theologische Tenor der Stellung­nahme in deutlicher Anlehnung an die Äußerungen Schallers im Rahmen seines Albanivortrags. Das von Strecker auf der Synode in Frage gestellte geschwisterliche Verhältnis zwischen Juden und Christen auf Grund gemeinsamer Glaubenstraditionen wird hier implizit zur Voraussetzung und nicht erst zum durch missionarische Bemühungen herzustellenden Ziel der Begegnung.

 

Ein christliches Zeugnis gegenüber Juden wird jedoch nicht ausgeschlossen. Es hat allerdings auf Grund der gemeinsamen Glaubensbasis einen dezidiert anderen Inhalt als das missionarische Zeugnis anderen Menschen gegenüber.

 

These 4 greift diese Überlegungen auf, indem angesichts der Geschichte der Entfremdung und Vernichtung des Judentums im »Dritten Reich« das christliche Zeugnis gegenüber dem Judentum nur ein kontextuelles und damit ein geschichtsbewusstes in Form eines Schuldbekenntnisses sein kann.[6] Auch hier wird der Einfluss des Rheinischen Synodalbeschlusses evident, für den die Erkenntnis christlicher Mitverantwortung und Schuld am Holocaust ein Aspekt der geschichtlichen Notwendigkeit einer Erneuerung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden darstellt[7] und zum zeugnishaften Bekenntnis der Christenheit in Deutschland zur Mitverantwortung und Schuld am Holocaust führt.

 

These 5 nimmt das Judentum in Deutschland und dessen wachsende Gemeinschaft nicht unter dem Blickwinkel möglicher missionarischer Adressatenschaft, sondern unter dem Aspekt der Dankbarkeit in den Blick. Es ist für die Stellungnahme der Göttinger »7« ein Grund der Freude, das Zeugnis jüdischen Glaubens in Begegnung und Dialog trotz »Auschwitz« wieder hören zu können.

 

Der theologische Aspekt hinter diesen emotional gefärbten Sätzen dürfte die Einsicht sein, dass die Kirche für ihren Glauben das jüdische Glaubenszeugnis notwendigerweise braucht, um Kirche bleiben zu können.[8] Sie erinnert wiederum an die EKD-Studie CuJ II, in der das »Lernen von Israels Gegenwart«,[9] d.h. das Lernen von konkreten jüdischen Menschen in jeweiliger Zeitgenossenschaft, vor allem bedeutet: »In geistlicher Verbundenheit mit Israel lernen zu glauben, zu handeln, zu hoffen als Jünger Jesu.«[10] Die Freude über die neugewonnenen Möglichkeiten zu Begegnung und Dialog trotz »Auschwitz«, wie sie in der Stellungnahme zum Ausdruck kommt, hat deshalb einen eminent wichtigen theologischen Aspekt, der »Judenmission« von dieser »Freude« her fragwürdig werden lässt: Zuallererst in der Begegnung, im Hören auf das jüdische Glaubenszeugnis, d.h. erst in geistlicher Verbundenheit mit Israel lernt die heidenchristlich gewordene Kirche »zu glauben, zu handeln, zu hoffen als Jünger Jesu.«

 

V.3.4.           Erwählung, Rechtfertigung und gemeinsame Glaubensgrundlagen: Zusammenfassung

 

Der beschriebene »Göttinger Streit« verbleibt im Wesentlichen in den kontroversen Argumentationsstrukturen, wie sie vor allem von dem Konflikt um den Rheinischen Synodalbeschluss her bekannt sind.

 

Zwei grundsätzlich und kategorial einander entgegenstehende Positionen werden noch einmal deutlich:

 

1.                Rechtfertigung statt Erwählung

Eine die Judenmission bzw. ein missionarisches Zeugnis dem Judentum gegenüber bejahende theologische Einstellung denkt universalistisch in dem Sinne, dass mit dem Kommen Jesu Christi das Judentum in den Kreis der Religionen und Weltanschauungen und damit aus seiner besonderen Gottesbeziehung heraustritt und zum Adressaten des kirchlichen Missionsauftrags wird. Diese Denkstruktur kann mit dem Begriff der »Subsumtion« umschrieben werden. Seine Wurzeln liegen in der judenmissionarischen Programmatik des 19. Jahrhunderts und deren Identifizierung von Heidenmission und Judenmission. Dementsprechend werden die biblischen Belegstellen Mt 28 und Apg 1,8 judenmissionarisch interpretiert. Wobei die Tendenz deutlich wird, diese ungeschichtlich-bibli­zistisch zu Schlüsselbelegen der heidenchristlichen Judenmission zu stilisieren.

 

In dem Votum Streckers vor der Hannoverschen Synode wird ein weiteres Merkmal judenmissionarischer Grundhaltung deutlich: Das Kommen Jesu Christi, speziell jedoch Kreuz und Auferweckung Jesu, sind Ausdruck der Krisis Israels.[11] Wie alle Menschen wird auch das jüdische Volk durch die heidenchristliche Glaubensforderung vor die Entscheidung des Glaubens an Jesus gestellt ist. Ein vorgegebenes geschwisterliches Verhältnis von Juden und Christen auf der Grundlage des Glaubens an den einen Gott Israels ist damit ausgeschlossen. »Geschwister« im theologischen Sinne können Juden und Christen allenfalls durch Bekehrung der Juden zur heidenchristlichen Kirche werden. Faktisch bedeutet die Bestreitung einer »geschwisterlichen Beziehung« durch Strecker und die missionarische Bezeugung Jesu als Heil der Welt[12] in Verbindung mit dem Programm einer Subsumtion die Bestreitung der bleibenden Erwählung Israels.[13] Dahinter steht theologisch ein kerygmatisch-existentiales Verständnis des Evangeliums: »Frei erwählt werden kann ja nur ein einzelner. Würde ein Kollektiv erwählt, wäre Gott gebunden.«[14]

 

Aus der Entwicklung und Wiederbelebung der Judenmission nach 1945[15] ist ein relativierender und verharmlosender Umgang mit der Shoa, mit »Auschwitz«, bekannt. An diese Haltung knüpfen sowohl Strecker in seinem Votum vor der Synode, als auch die Erklärung der Göttinger »13« an. Formulierungen wie »Auschwitz als Konkretion des Bösen, um das Christen immer schon wissen«[16] oder »besondere Belastung und Verantwortung«[17] zeigen dies. Eine Infragestellung oder zumindestens eine Überprüfung der Judenmission aus historischen Gründen erfolgt nicht, weil ein überzeugendes Bekenntnis zur christlichen Mitverantwortung und Schuld an der Shoa nicht im Blick ist. Wer jedoch meint, nach der Shoa Theologie und Judenmission treiben zu können, »als wäre nichts geschehen«, hat die theologischen Dimensionen dieses »Zivilisationsbruches«[18] und dessen hermeneutische Bedeutung nicht erkannt. Geschichts- und damit kontextlose Wahrheiten sind aber noch nicht die Wahrheit des Evangeliums.

 

2.                            Bleibende Erwählung und gemeinsame Glaubensgrundlagen

 

Den Überlegungen Schallers und der Göttinger »7« stehen die Positionen Streckers und der Erklärung der Mehrheit der Göttinger Theologischen Fakultät diametral und theologisch fundamental entgegen.

 

Der Subsumtion Israels unter »alle« Religionen und Weltanschauungen wird unter deutlichem Rekurs auf den Rheinischen Synodalbeschluss und die ihn prägenden theologischen Traditionen (K. Barth) mit der Postulierung der bleibenden Erwählung Israels zum Volk Gottes gewehrt. Die in der Treue Gottes allein begründete bleibende Erwählung und die damit dem Judentum zugesprochene Legitimität und Dignität seiner Existenz und seines Glaubens sowie die gemeinsamen Grundlagen des Glaubens von Juden und Christen an den Vater Jesu Christi, der der Gott Israels ist, führen zu einer radikalen Absage an die Judenmission als Programm einer Integration und Aufhebung des Gottesvolkes Israel in die ökumenische Völkerkirche. Der zentrale Satz der Stellungnahmen, wonach das christliche Zeugnis gegenüber dem Judentum nicht dem allgemeinen Zeugnis gegenüber allen anderen Menschen zugeordnet werden kann, impliziert eine grundlegende, sachlich-theologische Differenzierung innerhalb des ansonsten indifferenten Zeugnisbegriffes: einem »missionarischen Zeugnis« in der Begegnung mit den Religionen und Weltanschauungen und einem »innerbiblischen« mit dem Judentum auf der Basis des gemeinsamen Glaubens an den Gott Israels.

 

Entscheidend für die Absage an die Judenmission sind in der Stellungnahme der Göttinger »7« allein theologische Gründe. Historische Überlegungen führen allenfalls zu einem »grundsätzlichen« Überdenken dieser Praxis.

 

Sowohl die Position Schallers als auch die Stellungnahme der Göttinger »7« vertreten in deutlichem Unterschied zu Strecker und der ihn stützenden Erklärung der Göttinger »13« eine dezidierte Theologie nach Auschwitz, d.h. eine geschichtsbewusste, kontextuelle Theologie. Entgegen allen erhobenen Vorwürfen, die schon gegenüber dem Rheinischen Synodalbeschluss erhoben wurden, ist nicht zu erkennen, dass »Auschwitz« damit ein »Offenbarungscharakter«[19] zugesprochen würde.

 

Die Argumentationsstrukturen im vorliegenden Konflikt sind im Wesentlichen bekannt. Dies gilt mit einer bezeichnenden Einschränkung: In seinem »Albanivortrag« hat Schaller auf ein weithin unbeachtetes exegetisches und theologisches Problem aufmerksam gemacht, das es verdient, vertieft zu werden:

 

Er stellt die Frage nach dem Subjekt der missionarischen Sendung, indem er eine Judenmission durch die heidenchristliche Kirche als höchst fragwürdig und biblisch nicht belegt kritisiert.[20] Ohne dies auszuführen, deutet Schaller damit einen Sachverhalt an (Mt 10,5ff im Verhältnis zu Mt 28,18ff), der für das Matthäusevangelium grundlegend ist und sich in der paulinischen Mission (1 Tess 1,9f) wiederholt: Nämlich die begriffliche und sachlich-inhaltliche Differenzierung zwischen einer innerjüdischen Verkündigung Jesu zur eschatologischen Sammlung des Gottesvolkes Israel einerseits, und der anhebenden Völkermission von Juden- und Heidenchristen andererseits.[21]

 

V.3.5.                      Christologie und Eschatologie: Offene Fragen

 

Es bleibt in der Erklärung der Göttinger »7« noch offen, wie – angesichts der bleibenden Erwählung Israels, des gemeinsamen Glaubens an den Gott Israels und des Bekenntnisses christlicher Schuld und Mitverantwortung sowie der Freude über neue Begegnungen und des Lernens in Israels Gegenwart –, das christliche Zeugnis gegenüber Juden im Unterschied zum »allgemeinen Zeugnis gegenüber allen anderen Menschen«[22] inhaltlich zu füllen ist. M.a.W.: Was unterscheidet sachlich-theologisch das »missionarische Zeugnis« gegenüber allen Menschen von dem »Zeugnis« vor dem Judentum auf der Basis des gemeinsamen jüdisch-christlichen Glaubens an den Gott Israels? Wenn man sich nicht dem Verdacht des theologischen, insbesondere christologischen Besitzverzichts aussetzen will, muss, wie es der Rheinische Synodalbeschluss zumindest ansatzweise versucht,[23] die Frage geklärt werden: Welche Beziehung hat Jesus Christus zu Israel angesichts von dessen »Nein«, wenn es nicht Aufgabe der aus den Völkern stammenden Christusgläubigen sein kann, dieses »Nein«, und damit Israel, durch Mission aufzuheben? Hätte an dieser Stelle der ansonsten deutlich erkennbare Bezug auf die EKD Studie II nicht vertieft werden müssen? Dort wird eindrücklich Röm 15,8f ausgelegt und als Zusammenfassung der Christologie des Paulus sowie als notwendiger Interpretationsrahmen für diese Frage angeboten.[24] Christlicher Glaube glaubt nicht an Jesus, dem Christus vorbei an den Gott Israels, den Vater Jesu Christi, sondern glaubt doch allein durch Jesus Christus im Heiligen Geist an diesen. Von der Zusammenfassung der Christologie des Paulus in Röm 15 her hätte der Christus als der Bewahrer Israels, der dessen Erwählung festmacht – auch und gerade in Gestalt der Gerichtspredigt und des Umkehrrufs in Israel – in den Blick kommen können. Das von den Göttinger »13« eingeklagte christliche Zeugnis gegenüber dem Judentum von Christus als dem Heil der Welt hätte hier seine israelspezifische Konkretion erfahren. Es wäre dadurch noch sehr viel deutlicher geworden, dass die Absage an die »Judenmission« nicht nur eine Konsequenz aus der bleibenden Erwählung Israels, nicht nur eine Konsequenz aus den gemeinsamen Grundlagen des Glaubens an den Gott Israels als den »Vater Jesu Christi«, sondern letztlich eine Konsequenz der Christologie selbst ist.

 

Erfordert weiterhin eine theologisch begründete Absage an das heidenchristliche Programm der Judenmission nicht doch eine Diskussion der Tatsache, »daß Juden und Christen unterschiedlich zu Jesus stehen«,[25] wie es die EKD Studie II zumindest ansatzweise versucht? Ist dieser Sachverhalt des Schismas im Volk Gottes nicht auch ein Anlass zur Trauer (Röm 9,2)? Dies schließt sowohl die – wiederum paulinische Einsicht – in die heilsgeschichtliche Notwendigkeit des Schismas (Röm 11,11ff), dessen Aushalten und Respektieren ebenso ein, wie die lebendige Hoffnung auf seine eschatologische Überwindung durch den Parusiechristus (Röm 11, 25ff). Der wiederum, so die bemerkenswerte Erkenntnis der EKD-Studie II, nicht Jude war, sondern »ist«.[26] Diese Trauerarbeit der heidenchristlichen Kirche führt sie dann allerdings direkt zum Bekenntnis eigener Schuld und Mitverantwortung darüber, Israel das einzig »überzeugende Zeugnis ihrer eigenen Existenz und damit das Zeugnis von dem erschienenen Judenkönig und Weltheiland«[27] schuldig geblieben zu sein. »Und damit ist sie ihnen [den Juden], denen sie Alles schuldig ist, bis auf diesen Tag Alles schuldig geblieben.«[28]

 

V.4.4.                      Der »Tübinger Streit« 1999

 

Am 14. Dezember 1999 findet ein Studientag der evangelischen Theologiestudierenden im Theologicum der Universität Tübingen zum Thema »Christlicher und jüdischer Glaube – zwei Wege zum Heil?« statt. Als Referenten wurden die Neutestamentler K. Wengst (Bochum) und O. Hofius (Tübingen) sowie die Systematiker N. Slencka (zum Zeitpunkt des Studientags Lehrstuhlvertreter von E. Jüngel, jetzt Mainz) und B. Klappert (Wuppertal) gewonnen. Weiterhin waren sog. »messianische Juden« als Vertreter des EDI, aber kein Jude bzw. keine jüdische Theologin eingeladen. Auch der württembergische Landesrabbiner Joel Berger war nicht geladen. Dieser hatte schon im Vorfeld des Studientages die judenmissionarische Praxis des EDI als »Holocaust mit anderen Mitteln«[29] bezeichnet.

 

Angesichts des Programmentwurfs und der Einladung des EDI durch die Vorbereitungskommission kommt es zu einem Protestschreiben der Direktoren des »Institut für antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte« und des »Institutum Judaicum« der Theologischen Fakultät der Uni Tübingen, H. Lichtenberger und S. Schreiner an die Vorbereitungskommission. In dem Schreiben vom 27.10.1999 äußern sie ihre schwerwiegenden Bedenken gegen die Einladung des EDI. Es heißt dort:

 

»... Gegen die Einladung des EDI in diesem Zusammenhang haben wir jedoch schwerste Bedenken ... Dem EDI die Möglichkeit eines Seminars in unserer Fakultät zu geben, bedeutet nicht nur, ihm ein völlig unverdientes akademisches Forum anzubieten, sondern zugleich auch zu übersehen, daß er aus theologischen Gründen ebenso wie wegen seines Verhaltens und seiner praktischen Arbeit nicht einmal als Gesprächspartner und schon gar nicht als Mitglied des Evang.-Luth. Zentralvereins für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen e.V. in Betracht kommt, um wie viel weniger also in unserer Fakultät. Zudem würde eine Einladung an den EDI für die Arbeit unserer beiden Institute eine unerträgliche moralische Belastung sein. ... Im übrigen ... wäre es bei dem von Ihnen gewählten Thema nicht nur wünschenswert, sondern geboten, auch die jüdische Seite zu Wort kommen zu lassen.«[30]

 

Das Schreiben hat keinen Einfluss auf die Programmgestaltung des Studientages. Der EDI kann eine Seminargruppe abhalten. Auf diesem Studientag kommt es zu kontroversen Debatten. So stellte beispielsweise Prof. N. Slenczka das christlich-jüdische Verhältnis in den Rahmen des »Gebotes der Feindesliebe«[31] und hält eine bundestheologische Zuordnung von Israel und Kirche für nicht weniger problematisch »als die angeblich antijudaistischen Positionen, die sie ablösen will.«[32] Vor allem aber die Anwesenheit des EDI und dessen Missionspraxis lassen das Thema Judenmission zum Thema werden. Durch Presseveröffentlichungen führt dieser Streit um die Verhältnisbestimmung von Israel und Kirche und um die Judenmission zu einem die interessierte Öffentlichkeit bewegenden Konflikt, durch den sich die drei Tübinger evangelischen Theologieprofessoren B. Janowski (Altes Testament), S. Schreiner (Religionswissenschaft und Judaistik) und H. Lichtenberger (Neues Testament und Antikes Judentum) zu einer Stellungnahme herausgefordert sehen. Diese Erklärung deutet erhebliche Meinungsverschiedenheiten auch innerhalb der Evangelisch-Theologischen Fakultät an.

 

Die Erklärung der drei Tübinger Professoren wird am 12.1.2000 im »Schwäbischen Tagblatt« mit der Überschrift »Ein aberwitziges Unterfangen. Drei evangelische Theologen sprechen ein klares ›Nein zur Judenmission‹« abgedruckt. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

 

»Es war nicht das erste Mal, dass an der Evangelisch-theologischen Fakultät über Judenmission diskutiert worden ist. Vor einigen Jahren bereits gab es einen ›kleinen Studientag‹ zu diesem Thema. Nur, im Unterschied zum letzten Studientag hatte jener kein publizistisches Echo ausgelöst.

Die anderen aber haben weder damals noch jetzt geschwiegen. Damals wie jetzt haben wir aus unserem Nein zur Judenmission keinen Hehl gemacht und auch sonst, wann immer die Situation es verlangte, haben wir unser Nein zur Judenmission ausgesprochen.

Juden und Christen sind je auf ihre Weise zu Zeugen des Einen Gottes, zu Zeugen des Gottes in unserer Welt berufen, der Juden der Gott Abrahams und den Christen zugleich der Vater Jesu Christi ist. Wenn Christen dieses Zeugnis mit den Psalmen der hebräischen Bibel ablegen, rezitieren sie keine ›getauften Psalmen‹, sondern stimmen ein in das Gotteslob Israels, in das Bekenntnis zu dem Einen Gott.

 

Judenmission, in welchem Gewand auch immer sie daherkommt, lehnen wir ab, ohne Wenn und Aber, aus exegetisch-theologischen Gründen ebenso wie aus historischen und moralischen. Der Versuch von Heiden(christen), das Volk Gottes zu missionieren, ist ein aberwitziges Unterfangen, das in den kanonischen Schriften der Kirche keinerlei Rechtfertigung hat. Das Judentum ist keine defizitäre Religion; es ist dies heute ebenso wenig, wie es dies je war. Jüdisches Selbstverständnis lebt von der gottgeschenkten Heilsgewissheit, ›dass ganz Israel an der zukünftigen Welt Anteil hat‹ (Mischna, Traktat Sanhedrin, Kapitel 10).

 

Nur menschliche Hybris kann diese Heilsgewissheit bestreiten. Zudem, selbst wenn Judenmission je eine theologische Legitimation gehabt hat – das, was im Lauf der Geschichte unter dem Vorzeichen und Deckmantel der Judenmission praktiziert worden ist, hat ihr das letzte Fünkchen Legitimation genommen: Der Zweck heiligt nicht nur nicht die Mittel, die Mittel entheiligen auch den Zweck.

 

In unserer Ablehnung der Judenmission wissen wir uns einig mit der Mehrheit der Kirchen und Synoden im Bereich der Evangelischen Kirche Deutschlands, die in ihren Grundsatzerklärungen zum christlich-jüdischen Verhältnis der Judenmission eine klare Absage erteilt haben.

 

Um also auf die Frage des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTS vom letzten Samstag zu antworten: Ja, es gibt sie, die anderen an der Evangelisch-theologischen Fakultät; sie haben nicht geschwiegen, und sie tun es auch jetzt nicht.

 

Unser Nein zur Judenmission hat uns lange vor dem Studientag veranlasst, seinen Veranstaltern gegenüber mündlich und schriftlich nicht nur unsere ›schwersten Bedenken gegen die Einladung des Evangeliumsdienstes für Israel (EDI)‹ zum Ausdruck zu bringen. In einem Brief vom 27. Oktober 1999 an die Studientagsveranstalter haben die Leiter der beiden judaistischen Institute zudem erklärt, dass› dem EDI in unserer Fakultät ein völlig unverdientes akademisches Forum anzubieten, für die Arbeit unserer beiden Institute eine unerträgliche moralische Belastung sein würde. Und wir haben gefragt, warum angesichts des für den Studientag gewählten Themas dazu keine jüdischen Gesprächspartner eingeladen sind. Unsere Worte sind jedoch ohne Echo verhallt.

 

Der Verlauf des Studientages, ein Teil der gehaltenen Vorträge und die Diskussionen, die geführt worden sind, haben uns in unserer Meinung und Vorahnung bestätigt. Seinem Thema ist der Studientag nicht im entferntesten gerecht geworden. Von einer auf Wissen beruhenden Reflexion und Selbstverständigung über das christlich-jüdische Verhältnis kann hier nicht die Rede sein. Die von systematisch-theologischer Seite vorgetragene, mit Applaus bedachte Beschreibung des christlich-jüdischen Verhältnisses unter dem Vorzeichen des Gebotes der Feindesliebe – nachgerade eine theologische Ungeheuerlichkeit, von der moralischen ganz zu schweigen – offenbarte eine theologische Selbstgefälligkeit, wie sie nur eine aus Mangel an Wissen kommende tiefe Glaubensunsicherheit hervorbringen kann.

 

Im Blick auf die bevorstehende Frühjahrssynode der württembergischen Landeskirche, die sich unter anderem das Thema Judenmission auf die Tagesordnung gesetzt hat, bleibt uns nur die Hoffnung, dass sie über genügend theologische Weisheit, Einsicht und Mut verfügt, mit einer klaren Absage an die Judenmission ein deutliches Zeichen der metanoia, der Buße und des Umdenkens zu setzen, um nach Jahrhunderten der ›Vergegnung‹, wie Martin Buber sagte, zu einer Begegnung von Christen und Juden zu kommen und einen Neuanfang des Gespräches zwischen ihnen zu ermöglichen.«[33]

 

Die Ablehnung der »Judenmission, in welchem Gewand auch immer sie daherkommt«[34] bezieht sich nach dieser Aussage in der Erklärung nicht nur auf die vielfach kritisierte judenmissionarische Praxis des EDI, dem Proselytismus vorgeworfen wird, sondern im Kontext des Streits auch auf die akademisch-theologische Variante der Judenmission. Als deren Grundlage hat die »mit Applaus« bedachte Beschreibung des christlich-jüdischen Verhältnisses unter dem Vorzeichen des Gebotes der Feindesliebe zu gelten. Ebenso die auf dem Studientag von O. Hofius vertretene These, Psalmen im christlichen Gottesdienst seien nur deshalb zu beten, weil sie »getaufte Psalmen« seien. In der Abwehr dieser theologischen Voraussetzungen und ihrer Klassifizierung als »theologische Ungeheuerlichkeit«, wird die Identität des christlichen Glaubens mit Israels Glaube an den Einen Gott, den Gott Abrahams und Vater Jesu Christi, zu einem ersten entscheidenden Argument gegen die Judenmission.

 

Christlicher Glaube stellt jüdischen nicht in Frage, sondern nimmt teil am Gotteslob Israels.

 

Das zweite Argument stellt eine fast wörtliche Aufnahme der Missionstheologie des Rheinischen Synodalbeschlusses dar, wenn es in der Erklärung heißt: »Juden und Christen sind je auf ihre Weise Zeugen des Einen Gottes.« Dies belegt noch einmal, fast 20 Jahre nach dem Synodalbeschluss, dessen Schlüsselstellung in der judenmissionarischen Diskussion und ist, wie gezeigt, vielfach rezipiert worden.

 

Dieser Grundlegung werden »exegetisch-theologische«, »historische« und »moralische« Gründe zur Seite gestellt. »Exegetisch« erscheint »Judenmission« durch Heidenchristen als »aberwitziges Unterfangen«, weil es dafür »in den kanonischen Schriften der Kirche keinerlei Rechtfertigung« gibt. Dieses Argument begegnete zum ersten Mal im »Göttinger Streit« und wurde von der AG »Juden und Christen« beim DEKT erneut vorgetragen. Das Evangelium geht einen Weg von Israel zur Völkerwelt, nicht umgekehrt. Dem korrespondiert die »theologische« Erkenntnis, dass, in Ablehnung der Vorstellung, Israel lebe ohne Christusglauben in »heillosem Zustand«, das Judentum nicht als »defizitäre Religion«, also »heillos« existiere. Nicht eine definitorische Fremdbestimmung des Judentums durch menschliche, d.h. christliche »Hybris«, sondern die Wahrnehmung und das Ernstnehmen jüdischen Selbstverständnisses prägen diesen Teil der Erklärung mit Verweis auf die Mischna, Traktat Sanhedrin, 10, »dass ganz Israel an der zukünftigen Welt Anteil hat.«

 

Der »historische« und moralische« Grund für ihre Ablehnung der Judenmission liegt für die drei Professoren in der Geschichte der Judenmission begründet. Deren Praxis habe ihr jede Legitimation entzogen. Die Mittel (gemeint sind wohl Zwangstaufen, Zwangsdisputationen, Proselytismus etc.)[35] entheiligen den Zweck. Die Geschichte der Verkündigung des Evangeliums gegen die Juden entzieht der Kirche die moralischen Grundlagen, »als wäre nichts geschehen«, mit der Judenmission fortzufahren.

 

In der Beschreibung des Verlaufs des Studientages an der Fakultät spricht die Erklärung zum Ende hin ein psychologisches Problem an. Nicht nur die Bezeichnung des christlich-jüdischen Verhältnisses unter dem Vorzeichen des Gebotes der Feindesliebe, nicht nur die Bezeichnung der Rezitation der Psalmen im christlichen Gottesdienst als getaufte Psalmen«, sondern auch das Unternehmen Judenmission kommt aus einem »Mangel an Wissen« und drückt eine »tiefe Glaubensunsicherheit« aus. Indem die Vertreter der Judenmission jüdisches Selbstverständnis und damit die gottgeschenkte Heilsgewissheit Israels negieren, partizipieren sie an einer narzisstischen Stabilisierung des Selbst des Christentums auf Kosten eines entwerteten Objekts. Augenscheinlich ist die christliche Identität derer, die Judenmission betreiben, außerordentlich fragil.

 



[1]                 Erklärung der Göttinger »7«, Ziffer 1.

[2]              G. Eichholz: Begriff ›Volk‹ im Neuen Testament, 79. Zur Exegese von Mt 28,18ff vgl. Kap. VI.9.2.

[3]              J. Moltmann: Kirche in der Kraft des Geistes (Kirche), 161.

[4]              UuE, 265. Es erfolgt eine Konklusion der Ziffer 4 (4) »Wir glauben die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes als Gottes Volk« mit Ziffer 4 (6) » ... darum sind wir überzeugt, daß die Kirche ihr Zeugnis dem jüdischen Volk gegenüber nicht wie ihre Mission an die Völkerwelt wahrnehmen kann.«

[5]              In der Betonung des gemeinsamen Glaubens an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs als den Vater Jesu Christi wird erneut die Rezeption der EKD Studie »Christen und Juden II« deutlich. Dort heißt es: »Insofern sich dieser Glaube [an den Messias Jesus] dessen bewußt ist, daß Jesus Jude ist und den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs seinen Vater nannte, verbindet er die Christen unlösbar mit dem jüdischen Volk« (59).

[6]              Ähnlich K. Barth: KD IV/3, 1007.

[7]              Vgl. Ziffer 1 und 2 (1) des RSB, vgl. UuE, 264.

[8]              B. Klappert: »Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel.« Das jüdische Zeugnis in einer christlichen Theologie nach Auschwitz, 1ff. Klappert nennt fünf Aspekte des jüdischen Glaubenszeugnisses, anhand derer er die grundlegende Angewiesenheit christlicher Theologie und christlichen Glaubens auf das Judentum entfaltet. Christliche Theologie nach Auschwitz ist auf das jüdische Glaubenszeugnis angewiesen: 1. in der geschichtlichen Erinnerung; 2. in der messianischen Hoffnung; 3. in der Erfahrung Gottes und im Reden von Gott; 4. in ihrem Werden und Sein als ökumenische Gemeinde und 5. in der besonderen Bestimmung ihres Auftrags.

[9]              CuJ II, 63.

[10]             Ebd.

[11]             Ähnlich R. Bultmann, Streckers theologischer Lehrer, der die alttestamentlich-jüdische Geschichte nur als eine Geschichte des Scheiterns wahrnehmen kann. Vgl. R. Bultmann: Weissagung und Erfüllung, 183.

[12]             Vgl. Erklärung der Göttinger »13«.

[13]             In seinem Beitrag »Das Christliche im jüdisch-christlichen Dialog« (Lutherische Monatshefte 32/1993, 27–29, hier 28) verweist Strecker zustimmend auf »Das Wort zur Judenfrage« des Bruderrats der Ev. Kirche in Deutschland 1948 (vgl. RH, 540ff sowie die Diskussion desselben unter IV.2.5.), in dem dieses den Übergang der Erwählung Israels durch und seit Christus auf die Kirche aus allen Völkern, aus Juden und Heiden, postuliert. In der Kirche als dem Leib Christi, so Strecker, gilt Gal. 3, 28.

[14]             H. Conzelmann: Grundriß der Theologie des NT, 275.

[15]             Vgl. Kap. IV.2.

[16]             So G. Strecker vor der Hannoverschen Synode, vgl. V.3.1.

[17]             Vgl. Erklärung der Göttinger »13« in V.3.3.

[18]             Vgl. D. Diner (Hg.): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz.

[19]             So erneut Strecker in seiner Antwort auf die Stellungnahme der Göttinger »7« vom 4.6.1993 mit dem Titel »Mißverständnisse«. Unter Ziffer 4 heißt es: »Es ging und geht mir vielmehr darum, daß die gegen das jüdische Volk gerichteten Naziverbrechen, speziell ›Auschwitz‹, nicht zu einem theologischen Topos hochstilisiert werden, wodurch ›Auschwitz‹ ein Offenbarungscharakter zuerkannt, das neutestamentliche Christuszeugnis relativiert und darüber hinaus bestritten wird, daß durch Kreuz und Auferstehung Christi die Grundlage des christlichen Glaubens gelegt ist.« Zur Frage der Funktion von »Auschwitz« für die christliche Theologie vgl. die Diskussion des RSB unter IV.4.1.2.

[20]             B. Schaller: Das Gespräch zwischen Juden und Christen, 9.

[21]             Vgl. dazu Kap. VI.

[22]             Vgl. oben die Erklärung der Göttinger »13«.

[23]             RSB 4 (3), vgl. UuE, 265.

[24]             CuJ II, 53ff.

[25]             A.a.O., 59.

[26]             Ebd.

[27]             K. Barth: KD IV/3, 1007.

[28]             Ebd.

[29]             Vgl. Schwäbisches Tagblatt vom 16.12.1999. Jetzt in: Materialdienst 1/Februar 2000, 2, Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau.

[30]                 Schreiben der Professoren Lichtenberger und Schreiner vom 27.10.1999 über die Fachschaft an die Vorbereitungskommission für den Studientag, Handakte B. Klappert.

[31]             Der Tübinger Vortrag von N. Slenczka ist jetzt unter dem Titel »Jesus Christus und der Israelbund« abgedruckt in: ders.: Der Tod Gottes und das Leben des Menschen, 110–122, Zitat 121.

[32]             N. Slenczka: a.a.O., 116.

[33]                 Schwäbisches Tagblatt vom 12.1.2000.

[34]             Ebd. Alle folgenden Zitate entstammen dieser Erklärung.

[35]             Vgl. Kap. V.3. Die Erklärung der »Göttinger 7« führt diesen Aspekt differenziert aus, spricht allerdings hinsichtlich der historischen Problematik der Judenmission nur von einem »Überdenken« derselben.