KALTE HERZEN
von Dieter Graumann
Unsere Gesellschaft wird, so hören wir oft, zunehmend
älter. Das ist schwer zu bestreiten und noch schwerer zu ändern.
Aber wahr ist darüber hinaus auch: Unsere Gesellschaft wird nicht
nur älter - sondern auch kälter. Wir leben, so scheint es, in
einer Zeit der kalten Herzen.
Zu viele egomane Ich-AGs? Apathie statt Empathie? Dafür
finden wir leider viele Bestätigungen und viel zu wenige, dann freilich
auch wieder besonders schöne Ausnahmen.
Aus gegebenem Anlass, und sicher nicht überraschenderweise,
will ich hier aber darüber sprechen, wie Juden und Judenfeindschaft
oft behandelt werden. Die Bereitschaft, sich einzusetzen in unserer Gesellschaft
- jedenfalls für die jüdische Gemeinschaft - ist allgemein gering.
Ist das nur ein Abbild für generelle Teilnahmslosigkeit oder ist
das sozusagen ein "jüdisches Sonderphänomen"? Wenn
es um das aktive, persönlich werdende Engagement geht, spüren
wir jedenfalls zu oft das laue Lüftchen der Lustlosigkeit.
Ein Beispiel: Im Februar wurde in Berlin ein Jüdischer
Kindergarten am Wochenende von Unbekannten verwüstet. Sie sind bis
heute unbekannt geblieben. Eine Rauchbombe wurde plaziert, Wände
und sogar Kinderspielzeug wurden mit vielen Hakenkreuzen und mit üblen
antisemitischen Parolen beschmiert. Ein widerwärtiger Akt, zweifellos.
Erstmals wurden - soll man sagen: wieder? - jüdische Kinder als Ziele
ausgesucht. Wie waren die Reaktionen? Die Politik reagierte klar, korrekt,
vorbildlich. Die Bundeskanzlerin schrieb einen Brief, der Bundesinnenminister
besuchte den Kindergarten, der Berliner Senat zeigte sich empört.
Aber: Wie reagierten eigentlich die Bürger, die Menschen in Berlin?
Nahezu überhaupt nicht. In der Umgebung des Kindergartens gibt es
noch andere Kindergärten, gibt es Schulen. Fast keine Reaktion. Von
der Nachbarschaft - nichts zu sehen. In Berlin gibt es zwei sehr große
Universitäten - kein einziger Student zeigte sich betroffen. Schwer
zu verstehen: Der Antisemitismus in Deutschland stößt, mitten
in Berlin, frech eine neue Tür auf - und die Gesellschaft spielt
kollektiv "toter Mann" und plätschert seelenruhig wohlig
auf den Wellen gleichmütiger Ignoranz. Lethargie statt Empathie,
Passivität statt Solidarität, Stille statt Ächtung, Frost
auf der Seele und kein Hauch von Herzlichkeit. Ein Menetekel? Jedenfalls
eine mächtig große Enttäuschung. Nicht, dass die meisten
Menschen im Land etwa derartige Angriffe gegen Juden billigten. Nein:
die allermeisten missbilligen das alles ohne jeden Zweifel. Aber: dagegen
auch etwas unternehmen, gar Gesicht zeigen, sich selbst leidenschaftlich
engagieren, das will offenbar aber doch lieber niemand wirklich. Jede
noch so verblödete und verblödende Fernseh-Show auf der Suche
nach dem nächsten Super-Niemand mobilisiert offenbar millionenfach
mehr Gefühle, als wenn es darum geht, ganz persönlich einmal
ein Zeichen für neues jüdisches Leben in Deutschland zu setzen.
Und die eigentliche Gefahr erwächst eben gar nicht von den neuen
Rechts-Radikalen, obwohl ich sie mir natürlich allesamt zum Teufel
wünsche, sondern von diesem großen Gefühl der gähnenden
Gleichgültigkeit.
Sehen wir uns doch um: Rechtsradikal bedingte Straftaten
haben zweistellige Steigerungsraten, faschistische Gewaltakte sind eine
wüste Wachstumsbranche, die NPD sitzt stolz und frech in zwei Landtagen,
wo sie die parlamentarische Plattform und Steuergelder konsequent und
impertinent missbraucht, sie wird sogar noch großzügig mit
öffentlichen Geldern gepäppelt, die sinnigerweise genau dann
wieder fehlen, wenn es um neue Programme gegen Rechtsradikalismus geht,
eben diese NPD bekommt obendrein von Politikern, die alleine schon beim
Gedanken an ein neues Verbotsverfahren Zittern und Herzflattern bekommen,
eine freundliche Bestandsgarantie - ein weiterhin schwer begreifliches
Signal von Resignation und von Kapitulation -, Neonazis nisten sich listig
und hinterlistig ein. als die "netten Nazis von nebenan", in
Verbänden, Sportvereinen und Sozialstrukturen vor allem in Ostdeutschland,
marschieren und triumphieren mit einer neuen Dreistigkeit - und kaum jemanden
stört's!
Nur gelegentlich gibt es noch öffentliche Wallungen:
Kurz tobte der allerdings heftige Sturm im April über Herrn Oettinger,
der, in einem Akt von versuchter Fälschung, einen veritablen Funktionsträger
und Funktionstäter des Dritten Reiches mit dem Opfertitel ehren wollte
und so sowohl die wirklichen Widerstandskämpfer wie die wirklichen
Opfer beleidigte. Was damals Unrecht war, ist auch heute Unrecht - und
bleibt für immer Unrecht!
Und die gehässigen Demonstrationen der NPD hier in
Frankfurt im Juli und gerade im Oktober haben die Gegenwehr von Demokraten
gefunden - dankenswerterweise, und das geschieht auch woanders. Wir wollen
nicht mäkeln: Aber wenn noch mehr Menschen sich so engagierten, wäre
es sogar noch viel schöner. Umso mehr Respekt aber jenen, die es
tun. Dass die Verwaltungsgerichte uns aber immer wieder diese Faschisten-Festivals
geradezu aufzwingen und in sturem Wiederholungszwang das Recht der Faschisten,
ihr Gift zu verbreiten, höher bewerten als das Recht der Demokraten,
von dieser braunen Pest verschont zu werden, ist einfach unvermittelbar.
Frostige Urteile von kalten Juristen? Haben wir vielleicht denn doch zu
viele Richter, die für alles Verständnis - aber überhaupt
gar nichts begriffen haben?
Und auch alle künftigen Demonstrationen von Faschisten,
die reine Aufwiegelung bedeuten und niederträchtige Anschläge
sind auf ein friedliches Miteinander, weil sie auf gemeine und gemeingefährliche
Weise muslimische Menschen instrumentalisieren wollen für eigene,
niedrigste politische Zwecke - sie werden scheitern. Dafür werden
wir gemeinsam sorgen.
Mit fataler Regelmäßigkeit erleben wir unterdessen
die erbärmlichen, beschämenden Ausbrüche von Hass und Hetzjagd
gegen Ausländer und generell "Andere", vor allem in Ostdeutschland.
Ja: Mit Ansätzen von Pogromen. Und mit den dann immer gleichen schaurigen
und traurigen Ritualen - "bonjour tristesse": Eine Polizei vor
Ort, die dort doch offenbar zu oft zu gerne wegsieht und nicht selten
geradezu systematisch verharmlosend zu ermitteln scheint, ein dann zu
häufig politisch wie moralisch total überforderter Bürgermeister,
der in der Regel nur beschwichtigt und zugleich beteuert, in seinem Ort
seien Faschisten vollkommen unbekannte Wesen, eine lokale Bevölkerung,
die sich dann wie in der Wagenburg sammelt und trotzig die böse Presse
und die Ausländer selbst für die Rufschädigung des Ortes
verantwortlich macht. Und Politiker, die zwar ehrlich empört sind
- und die sich aber doch dann zu schnell beruhigen. Viel besser aber wäre:
Statt großes Lamentieren - beherztes Agieren. Viel, viel härtere
Strafen für Faschisten. Faschismus darf sich niemals lohnen! Ein
Rechtsstaat, der offensiv argumentiert und entschlossen reagiert. Ein
intelligenter und resoluter Mix aus Information und aus Intervention -
daran fehlt es. Und an Engagement des Herzens.
Denn: Viel zu viel - Apathie. Es gibt gewiss keinen Grund
zur Panik und jeden Anlass, Panikmache zu vermeiden, aber: Die saloppe
Lethargie, das chronische Müdigkeitssyndrom, die melancholische Melange
von Lässigkeit und Nachlässigkeit - das sind schon Symptome
von Kaltherzigkeit. Und sie tun weh.
Denn: Engagement lässt sich auch niemals an andere
delegieren. Wir SELBST, will alle müssen mehr tun. Wir alle müssen
den aufklärungsresistenten faschistischen Verbrechern zeigen: Sie
sind isoliert, geächtet, alleine. Aber: Wo sind denn die Lichterketten,
wo sind die Massendemonstrationen?
Und Ähnliches sehen wir dann, wenn es darum geht,
die finsteren Absichten des fanatischen Islamismus und des Teheraner Regimes
im Besonderen zu bekämpfen. Auch hier: Kälte, Schweigen, Teilnahmslosigkeit.
Wahr ist: Die fanatischen Islamisten leugnen beharrlich
den historischen Holocaust und bereiten gleichzeitig zielstrebig schon
den nächsten vor.
Aber: Dieser Islamismus bedroht uns doch ALLE, wir alle
befinden uns in seinem Fadenkreuz von abgrundtiefem Hass und feurigen
Fanatismus. Freilich: Die Islamisten handeln längst, während
wir im "milden Westen" noch oft so gerne wegsehen.
Der Iran speziell betreibt eine Politik, die halsbrecherisch
ist und verbrecherisch bleibt. Dort gab es die Konferenz der Holocaust-Leugner,
zum ersten Mal überhaupt von einem Staat organisiert und inszeniert,
im Dezember 2006. Eine Konferenz in Teheran nach dem Motto: Gebt der Lüge
eine Chance.
Empörung, Entsetzen, Großdemonstrationen in
Deutschland? Fehlanzeige. Diese Schlafmützigkeit ausgerechnet dazu
und ausgerechnet hier - die darf aber nicht sein! Und auch die Bundesregierung
könnte mehr tun. Leider sitzt sie doch zu oft zu ängstlich und
zögerlich im kuscheligen Bremserhäuschen, wenn es um neue Sanktionen
gegen die Möchte-Gern-Atom-Mullahs geht. Und sie vergibt hier noch
immer zu fleißig Hermes-Bürgschaften in Milliardenhöhe.
Hier gibt es also schon noch Hebel. Man muss sie nur nutzen wollen.
Aber auch die deutsche WIRTSCHAFT muss klar angesprochen
werden. Denn: Tausende deutsche Firmen unterhalten sehr enge Geschäftsbeziehungen
mit dem Iran. Deutschland ist mit Abstand wichtigster Handelspartner des
Irans. Viel zu viele deutsche Firmen verhalten sich hier geradezu zum
Schaudern schändlich und betreiben eifrig und übereifrig ihre
Geschäfte mit einem Regime, das die Judenfeindschaft zur Staatsräson
gemacht hat und das amtierender Weltmeister in Sachen Antisemitismus ist.
Sie handeln so gewinnbesessen und gewissenlos. Die Geschäfte blühen,
während die Moral verkümmert. Das Motto heißt: Eisern
schweigen und dabei eifrig Geschäfte machen. Diese Firmen wollen
Umsätze maximieren und möglichst viel verdienen. Aber so maximieren
sie doch nur ihre eigene Schande und verdienen dafür bloße
Verachtung. Denn sie kümmern sich doch dabei keine Sekunde darum,
dass genau dieser Iran offiziell den Holocaust leugnet und den Juden offen
den neuen Völkermord androht. Hauptsache, der Euro rollt.
Die Wirtschaftsverbände in Deutschland äußern
sich sehr häufig und oft sehr heftig. Hier aber schweigen sie nur
laut. Wo bleibt denn der deutsche Wirtschaftführer, der den iranischen
Fanatikern öffentlich widerspricht und der seinen dermaßen
schamlos handelnden Kollegen endlich ins offenbar nicht vorhandene Gewissen
redet?
Auch hier finden wir aber viel zu viel Kälte und
Frost. Und wenn man dort eisig schweigt, dann werden wir eben unsere Stimme
zu erheben haben in Zukunft: lauter, klarer. Ich weiß: Popularitätswettbewerbe
werden wir damit gewiss nicht gewinnen können - aber: Müssen
wir das denn?
Und wenn wir schon beim Schweigen sind: Auch die muslimischen
Verbände in Deutschland hätten zur Konferenz der Holocaust-Leugner
im Iran mehr sagen können, ja: sagen müssen. Wenn sie sich bei
einem solchen Thema, das an unseren Nerv geht und alle Juden der Welt
sofort elektrisiert, derart auffällig zurückhalten - können
sie dann noch unsere Partner sein? Ja, wir wollen und wir suchen den Dialog.
Aber es muss eine elementare Dialogfähigkeit geben. Kardinal Lehmann
und Bischof Huber haben mehrmals eindrucksvoll erklärt, dass es auch
Grenzen des Dialogs gebe und der Islam hierzulande wichtige Fragen zu
beantworten habe: Sein Verhältnis zur Gewalt, die Frage der Frauenrechte,
wie Andersgläubige zu behandeln sind und ob alle Grundrechte des
Grundgesetzes auch vorbehaltlos akzeptiert werden. Das alles ist natürlich
auch für uns wichtig. Und zusätzlich gilt für uns: Wer
den Holocaust leugnet oder zum Leugnen des Holocaust beflissen schweigt,
der kann niemals für uns Partner sein. Hier liegt UNSERE Grenze der
Dialogfähigkeit. Endet so am Ende gar ein Dialog, bevor er überhaupt
richtig begonnen hat?
Außerdem: Von den muslimischen Verbänden hierzulande
müssen wir endlich mehr Einsatz gegen Hass und Feindseligkeit in
den eigenen Reihen erwarten. Freundliches Fernsehlächeln und wohlfeile
Formeln sind einfach nicht genug. Mehr, viel mehr, wirklich glaubwürdiges
und ehrliches Engagement gegen Gift, Gewalt und Fanatismus in den eigenen
Reihen - und davon gibt es leider reichlich, vor allem bei Jugendlichen
- ist längst überfällig. Aus dieser politischen und moralischen
Verantwortung dürfen wir die muslimischen Verbände, deren Kooperation
wir doch wirklich und aufrichtig suchen, nicht entlassen.
Unterdessen streben die Teheraner Islamisten aber unbeirrbar
die Mittel an, die es ihnen möglich machen sollen, einen nuklearen
Holocaust zumindest anzudrohen. Und während Hitler noch das logistische
Problem zu lösen hatte, die Juden aus allen Ecken Europas zusammen
treiben zu müssen, um sie zu ermorden, haben es die islamistischen
Mörderphantasien jetzt viel leichter: sind heute doch etwa die Hälfte
aller Juden an einem Fleck versammelt und buchstäblich auf einen
Schlag zu treffen.
Freilich: wir alle sind betroffen. Wie sähe denn
speziell Europa aus, wenn ein fundamentalistisches Mullah-Regime unsere
Städte nuklear bedrohen könnte? Es ist ein Katastrophen-Szenario,
das sich vor unseren Augen entwickelt - und wenn wir nur wollen, WIRD
es auch ein Albtraum!
Die kalte Gesellschaft bleibt aber auch hier konsequent
eisig: Weit verbreitet ist ja die Einstellung, man sei selbst fein raus,
wenn man sich nur immer aus allem konsequent heraushalte. Nur nicht streiten,
nur nicht kämpfen - wer streitet hat, folgt man dieser Einstellung,
schon im vorhinein Unrecht. Es gibt sozusagen nichts, wofür es sich
zu streiten lohnte.
Wir gießen gerne eine dünne, schüttere
Friedensharmonie-Suppe über die ganze Welt. Buchstäblich ertränkt
werden freilich so ganz essentielle moralische Kategorien wie Richtig
und Falsch, Gut und Böse, Wahrheit und Lüge - nur um des heiligen,
lieben Friedens willen.
James Baldwin schreibt: "Die Menschen sind gefangen
in ihrer Geschichte. Und die Geschichte ist gefangen in ihnen." Und
verstehen muss man: Die kollektive Lehre, die wir Juden aus der Zeit,
als wir millionenfach verbrannt, erschossen, vergast wurden, verinnerlicht
haben, lautet: Wir wollen und wir werden nie wieder Opfer sein. Und diese
Erfahrung hat sich tief eingebrannt in unsere Seelen und in unsere Herzen.
Und niemand wird jemals die Politik des Staates Israel
- und die emotionale Verbindung aller Juden wiederum mit Israel - begreifen
können, wer nicht versteht, dass genau dieses jüdische Trauma
tief in uns arbeitet und in uns brennt. Und: Wo sollte dieses Trauma denn
eigentlich besser verstanden werden als hier, ja, als gerade hier, in
Deutschland? Hier geht es gewiss nicht darum, Gewalt zu fordern und zu
entschuldigen. Eine Welt ohne Gewalt ist immer anzustreben. Wer wollte
sich denn je etwas anderes wünschen? Aber es geht denn doch darum,
dass prinzipieller Gewaltverzicht dem Bösen und den Bösen einen
freien Weg bahnt. Oft steckt dahinter ein großer idealistischer
Impuls, ehrenwert und respektabel. Nicht selten will man aber auch nur
einfach in Ruhe gelassen werden. Moralische Beliebigkeit, simple Indifferenz
gelten dann schon als vorbildlich. Die Herzenskälte wird so aber
idealisiert. Herzenskälte darf aber niemals Vorbild werden.
Wolf Biermann schreibt: "Das Sich-aus-allem-Heraushalten,
die scheuschlaue, lebensdumme Tatenlosigkeit im Streit der Welt ist in
der praktischen Auswirkung ein Tun, will sagen: folgenschweres Lassen".
Und wer dann sogar noch hier, mitten in Deutschland, heutzutage
etwa Ehrenmorde oder Zwangsverheiratung, als das Ausleben "kultureller
Besonderheit" verklärt - der praktiziert doch weder Toleranz
noch Respekt. Sondern nur frostige Feigheit und kalte Kapitulation vor
dem fanatischen Islamismus, welcher der neue Totalitarismus des 21. Jahrhunderts
zu werden droht. Europa darf aber nicht hinter die Menschenrechte, und
Frauenrechte, zurückfallen, die es sich in Jahrhunderten so mühsam
erkämpft hat. Das darf nicht sein!
Gerade eine freie Gesellschaft soll einen freiheitlichen
Werte-Konsens suchen dürfen und muss ihn dann aber auch gemeinsam
umsetzen wollen. Wird jeder Gruppe, extrem gedacht: sogar jedem Einzelnen,
die eigene "moralische Lufthoheit" zugebilligt, werden Chaos
und Anarchie legitimiert. Denn: Eine Gesellschaft mit total atomisiertem
Wertesystem - hat doch gar keins mehr. Und wird Moral nur noch individualisiert,
privatisiert und fragmentiert, wird ihr Wert am Ende neutralisiert und
eliminiert.
Daher: Mehr, viel mehr Temperament und Leidenschaft, mehr
Wut und Mut und Glut, wenn es darum geht, sich für die Werte einzusetzen,
für die es sich auch zu einzusetzen lohnt:
Für die Freiheit und gegen die Freiheitsfeinde, für
universale gültige Menschenrechte und gegen die Fanatiker, für
die Toleranz und gegen die Fundamentalisten.
Für mehr Zivilcourage braucht man heutzutage sogar
doch nicht einmal mehr wirklich Courage, sondern oft nur noch die Bereitschaft,
die eigene Bequemlichkeit gelegentlich zu überlisten.
Zum Teufel also mit den kalten Herzen! Für das Gute
kämpfen - ja: mit heißem Herzen - statt vor dem Bösen
kapitulieren! Das darf doch auch in einer freien Gesellschaft nicht zu
viel verlangt sein.
Rede gehalten am 9. November 2007 in der Frankfurter Paulskirche.
Quelle: honestly-concerned.org
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