"Durchaus genau hinschauen"
Bischof Huber über Kirche und Israel
von Johannes Boie
Die Erwartungen an Bischof Wolfgang Huber waren hoch.
Am 5. März sprach er auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Konrad-
Adenauer-Stiftung (KAS), der Deutsch- Israelischen Gesellschaft (DIG)
und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
über "Kirche und Israel - 60 Jahre nach der Staatsgründung".
2007 war Huber als Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche (EKD) mit
seinen Ratskollegen nach Israel gefahren, um sich öffentlich zum
Friedensprozess zu äußern. Sein Mandat für den Weg nach
Israel, sagte Huber nun, erkläre sich aus der Solidarität mit
den Christen im Nahen Osten. Kurz vor Beginn der Gedenkfeier zum Holocaust
hatte die Reisegruppe Israel schon wieder verlassen. "Wir waren nicht
eingeladen", rechtfertigte sich Huber in der Adenauer-Stiftung. Umso
länger besuchte die Kirchenspitze auf ihrer Reise die palästinensischen
Autonomiegebiete, denn, so Huber, "menschlich gibt es da unten eine
Symmetrie".
Das alles wäre eine Erklärung wert gewesen,
aber Huber blieb vage: Man müsse "durchaus genau hinschauen",
"mit ganzer Intensität zuhören", "an Grenzen
stoßen". Inhaltlich aufschlussreich war der Abend nicht. Zu
zahm war Moderatorin Gesine Palmer. So konnte Huber ohne allzu kritische
Widerrede seine eigenwillige Sichtweise verbreiten, indem er etwa die
Situation von Christen in Israel mit der von Christen in den Autonomiegebieten
gleichsetzte. "Wird es im Geburtsland des Christentums noch für
längere Zeit Christen geben?", fragte er dramatisch.
Widerspruch traf den Kirchenoberen erst, als Fragen des
Publikums zugelassen wurden. Da wurde ihm vorgeworfen, die evangelische
Kirche sei federführend in einer realitätsfernen Besserwisserei
gegenüber Israel. Als Zuhörer ihn mit der Realität ständig
bedrohter israelischer Orte wie Sderot konfrontierten, und die "Symmetrie"
zwischen arabischen und israelischen Christen um den Fakt erweiterten,
dass Erstere von ihren moslemischen Nachbarn bisweilen als lebende Schutzschilde
missbraucht würden, reagierte Huber mit Humor: "Ich bin ein
Mann des Wortes. Ich kann mich nicht bewaffnet vor deren Wohnungen stellen."
Und auf die Aufforderung, die Namen jener palästinensischer Christen
zu nennen, mit denen er sich in den Autonomiegebieten traf, sagte er,
er wisse nicht, warum er "diesen Vertrauensbruch ausgerechnet in
diesem Kreis hier" begehen solle. Da klang der Oberhirte fast aggressiv.
Durchgehend sprach Huber vom "Heiligen Land", anstatt von Israel.
Das klingt so, als wolle der Bischof Israel nur in religiöser, nicht
aber in politischer Dimension wahrnehmen.
Jüdische Allgemeine, 13.3.2008
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