Vertritt die EKD erneut die Judenmission?
Brief des Deutschen Koordinierungsrates für christlich-jüdische Zusammenarbeit (DKR) an den Präsidenten des Kirchenamtes der EKD, Dr. Hermann Barth

Sehr geehrter Herr Präsident,

am 21. April wurde ein Interview mit Ihnen verbreitet mit der Kernthese: „Der Missionsauftrag gilt allen Menschen“, einschließlich der Juden. Dies belegt ausdrücklich Ihre Zustimmung zur „Lausanner Erklärung“ und deren Aussagen zur Judenmission sowie Ihre Distanzierung zu den differenzierten Formulierungen der EKD-Denkschrift „Christen und Juden III“ Art. 3 aus dem Jahre 2000, wo es im „Fazit“ zur Judenmission heißt: „Wir erkennen als Christen angesichts der Schoa den falschen Weg unseres bisherigen Denkens und Handelns gegenüber den Juden. Vorher kaum bewusstes und reflektiertes Fehlverhalten wird von seinen schrecklichen Folgen her manifest.“ Ihr Kommentar dazu lautet: „Den zitierten Satz kann ich durchaus mittragen. Es bleibt aber unter uns strittig, ob es auch ein falscher Weg war und ist, Juden für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen.“

Ohne Frage gehört Rechenschaft und Zeugnis des christlichen Glaubens vor allen Menschen zum „Kerngeschäft“ aller Christen wie umgekehrt in analoger Weise der Juden. Wir hatten aber gehofft, dass vor allem nach dem zweiten offiziellen Treffen und internen Gespräch der Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirche mit den orthodoxen und allgemeinen Rabbinern in der „Woche der Brüderlichkeit“ 2007 in Mannheim zum Thema „Zeugnis und Rechenschaft – Mission“ der durch das Verhalten der Kirchen durch Jahrhunderte hindurch belastete und desavouierte Begriff „Mission“ im Blick auf die Juden von einem Repräsentanten der EKD nicht mehr verwendet würde. Juden brauchen – anders als die Heiden – auch nach dem Neuen Testament nicht „missioniert“ zu werden. Die ständige Berufung auf den so genannten Missionsbefehl in Mt 28,18-20 ist eine biblizistische Verzerrung, da es hier nicht um die glaubensmäßig durch Jahrhunderte hindurch entfaltete Christologie geht, sondern um die im Matthäusevangelium bezeugte Lehre und Praxis des Juden Jesus aus Nazareth. Die Schuld gegenüber den Juden hat christologische Dimensionen, so dass Christen selbst mit ihrem Zeugnis und der Rechenschaft ihres Glaubens gegenüber Juden nach allem, was vorgefallen ist, schon deshalb zurückhaltend sein sollten.

Wir bedauern, dass nach der im Februar 2008 erlassenen Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“ für den lateinischen Ritus der römisch-katholischen Kirche auch die Evangelische Kirche in Deutschland meint, evangelikale und konservative Gruppen wie „Christival“ hofieren zu müssen, indem sie klare theologische Aussagen zur Unverbrüchlichkeit des Bundes Gottes mit Israel und die damit verbundene Absage jeglicher judenmissionarischer Aktivitäten aufgibt.

Hochachtungsvoll
Prof. Dr. Hubert Frankemölle
Beauftragter des DKR für die Begegnungen zwischen Kirchen und Rabbinern

Dr. Henry G. Brandt
Jüdischer Präsident

Pfr. Ricklef Münnich
Evangelischer Präsident

Dr. Eva Schulz-Jander
Katholische Präsidentin

zur Titelseite

zum Seitenanfang

Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
Robert-Schneider-Str. 13a, 64289 Darmstadt
Tel 06151-423900 Fax 06151-424111 email