Gedächtnistütze
Im Internet entsteht ein Denkmälerarchiv zur NS-Zeit im Rheinland
von Constantin Graf von Hoensbroech

Erstmals wird in Deutschland die Gedenkkultur einer Region in einem eigenen Archiv zusammengestellt. 7.000 Objekte will der Landschaftsverband Rheinland (LVR) gemeinsam mit der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln möglichst vollständig erfassen. Ab Sommer werden vier Fotografen durch die Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf ziehen, um Mahnmale, Gedenktafeln, Kriegsgräberstätten und Grabsteine abzulichten. Rund 70.000 Aufnahmen werden bis 2010 in einer Bilddatenbank gesammelt und im Internet zugänglich gemacht. Ergänzt werden die Darstellungen um Erläuterungen, Literaturhinweise und historische Fotos. Bewusst verzichten die Projektmacher auf eine Buchausgabe, da diese bei Erscheinen aufgrund der sich ständig wandelnden Erinnerungslandschaft schon überholt wäre.

Die Internetseite des „Denkmälerarchivs des Gedenkens an die NS-Zeit im Rheinland“ soll im Sommer freigeschaltet werden. 150.000 Euro investiert der LVR aus dem Etat der regionalen Kulturförderung. „Denkmäler geben Antworten darauf, wie wir mir kulturellem und geschichtlichem Erbe umgehen“, erklärt Georg Mölich vom LVR. Gerade im Rheinland habe sich eine besonders vielfältige Erinnerungstopografie ausgebildet. Mitten in Köln, vor dem Priesterseminar, wurde etwa vor einigen Jahren ein Denkmal für die vom Judentum zum Christentum konvertierte und in Auschwitz ermordete Nonne Edith Stein errichtet. Oder die Tafel, mit der in Köln an die in der Pogromnacht vom 9. November 1938 niedergebrannte Synagoge in der Glockengasse erinnert wird. Oder die Stele am Eingang des jüdischen Friedhofs in Pulheim- Stommeln. Oder die Erinnerungstafeln an den Standorten ehemaliger Synagogen wie in Hürth, Bergheim oder Köln.

Hinzu kommt das Erinnern an den Zweiten Weltkrieg – Kriegsgräberstätten, aber auch Gräber für Ziviltote, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sowie Heimkehrerdenkmäler und Erinnerungsmale zur Vertreibung. Wie unterschiedlich der Umgang mit Memorialkultur sein kann, zeigt ein Beispiel aus Hürth: Auf einem historischen Foto aus der NS-Zeit wird das dortige Kriegerdenkmal mit der Aufschrift „Unseren Helden zur Ehre“ von zwei Uniformierten eingerahmt. Statt eines pathetischen Spruchs hängt dort heute eine schlichte Tafel, die an die Gefallenen der Kriege erinnert.

Das Denkmälerarchiv will auch solche „Gedächtnisstützen“ wiederentdecken, die unbekannt oder beschädigt sind oder deren Auffindbarkeit durch mangelnde Archivalien und unzureichende Erinnerung schwierig geworden ist. „Erinnerung darf nicht nur für Gedenktage gelten“, sagt der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Werner Stump, und betont daher: „Eine kontinuierliche Gedenkarbeit ist wichtig.“

Der Projektleiter des Denkmälerarchivs, der Historiker Hans Hesse, ergänzt: „Die vielfältige Gedenktopografie im Rheinland ist nicht nur Ausdruck der sich verändernden Zeitläufte. Sie ist auch ein Ausdruck politischen, bürgerschaftlichen und kulturpflegerischen Engagements.“ Dies zu dokumentieren und zu pflegen, werde auch deshalb immer wichtiger, „weil es in absehbarer Zeit keine Zeitzeugen mehr geben wird und wir neue Antworten auf die Frage nach dem Umgang mit dem Gedenken an diese Zeit finden müssen“. Schließlich habe nach Auffassung des Historikers „die Kultur des Erinnerns und Gedenkens wesentlich zur Festigung der Demokratie beigetragen“. In diesem Sinne solle das Projekt zur Nachahmung ermutigen.

Jüdische Allgemeine, 28.3.2008

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