«Die siebente Million»
Die Situation der Holocaustüberlebenden in Israel
von Philipp Holtmann

Die Zahlen sind alarmierend. Mehr als 80.000 Holocaustüberlebende in Israel scheinen hilfsbedürftig zu sein und jeden Monat sterben etliche von Ihnen aufgrund ihres hohen Alters. Sie leben am Rande des Existenzminimums, ohne jedoch zu verhungern. Viele klammern sich an die Stricke einer unzureichenden Altersfürsorge. Vor allem die aus Osteuropa stammenden Holocaustüberlebenden und ein israelisches Journalistenteam organisieren seit einem Jahr eine emotionale Kampagne, die Druck auf die Regierung ausüben soll, diese Lage zu ändern. Die Krise wirft ein extrem schlechtes Licht auf die israelische Regierung, doch auch die Jewish Claims Conference, welche die Entschädigungszahlungen für Holocaustopfer weltweit verwaltet, wird heftig von Seiten der Opfer angegriffen. Jetzt hat das israelische Parlament ein Gesetz verabschiedet, welches ab April in Kraft tritt. Es soll denjenigen finanziell helfen, die bislang zwischen den Maschen der Entschädigung hindurch gefallen sind.

Das Problem scheint so fundamental zu sein, dass Ende Januar der staatliche Kontrollausschuss der israelischen Knesset eine Untersuchungskommission einsetzte, die das Verhalten israelischer Regierungen gegenüber Holocaustopfern während der vergangenen 60 Jahre untersuchen soll. Die Kommission unter Leitung der ehemaligen Richterin des obersten israelischen Gerichtshofs, Dalia Dorner, hat seit Anfang Februar etliche Überlebende als Zeugen vernommen. Auszüge aus dem Protokoll zeichnen ein düsteres aber auch emotionales Bild. Abraham B. zum Beispiel, der für die rumänischen Juden spricht, sieht ein tief in der vorstaatlichen Gesellschaft des jüdischen Jischuv (der «Siedlung» - P.H.) verwurzeltes Problem, was die Behandlung von Holocaustopfern angeht. Seine Aussage beschreibt ein Gefühl der Hilflosigkeit, was bis heute anhält: «Jeder, der das Buch „Die siebte Million" (vom israelischen Historiker Tom Segev - P.H.) gelesen hat, weiß genau wovon ich rede. Zusammengefasst erzählt das Buch folgende Geschichte: Eine Jüdin, die der Verbrennung in den Öfen entkam, erreichte 1943 Tel Aviv und passierte das Kino «Migdalor». Dort sah sie Menschen, die in der Schlange vor dem Kino standen und Eis aßen. Daraufhin schrie sie laut: 'Juden! Wisst ihr was dort [in Europa und den KZs - P.H.] passiert?' Einer sagte zu seinem Nebenmann: 'Die ist wohl verrückt geworden!' . . . Das ist der Hintergrund. Ich durchlief mehr als acht Auffanglager, bis ich als vierjähriges Kind nach Israel kam. Die Erinnerungen daran sind schrecklich. Wir sind die Überlebenden des Holocaust, denen anfänglich die hebräische Bezeichnung «avak enoschi», «menschlicher Staub» gegeben wurde."

Zwei Gruppen von Überlebenden

Auch Noach Flug, Vorsitzender des israelischen Dachverbandes der Holocaustüberlebenden, Merkaz Ha Irgunim (Verbandszentrum), sagte Anfang Februar vor der Untersuchungskommission aus. Seine Kritik war weniger emotional, wenn auch gleich heftig. Der 83jährige Flug, der das Ghetto Lodz, das Konzentrationslager Auschwitz und dann den Todesmarsch von Großrosen nach Matthausen überlebte, gab zu Protokoll, die Juden Osteuropas, die in der ehemaligen Sowjetunion lebten, seien nicht richtig entschädigt worden. «Die Entschädigung war im Grunde nur für jene, die vor dem Krieg in Deutschland waren oder nach dem Krieg auf dem Gebiet Deutschlands blieben. Der ganze Rest, die Mehrzahl der Überlebenden, blieb von dem Abkommen (Bundesentschädigungsgesetz BEG bis 1969 oder israelische Fürsorge für alle nach dem 1. April 1953 Eingewanderten - P.H.) ausgeschlossen.»

Doch laut Flugs Aussage betraf dies nicht nur die osteuropäischen, sondern auch die nach Israel eingewanderten Überlebenden: «In Israel herrschte jahrelang die Einstellung vor, der Staat habe keine Verpflichtung gegenüber den durch die Nazis Verletzten. Die Regierung bemächtigte sich im Grunde des Rechts der Überlebenden auf Schuldanspruch von Deutschland. Sie sagte, dass sie im Gegenzug mit den Deutschen übereingekommen sei, selbst Entschädigungen zu zahlen.» Im Laufe der Jahre entstand so eine Kluft zwischen denen, die Entschädigung von Deutschland erhielten und denen, die Entschädigung von Israel bezogen, so Flug. Die in Israel lebenden Holocaustüberlebenden bekämen nur ein Drittel der Rente derer, die in Deutschland blieben oder in die USA auswanderten.

Die hohe Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden Holocaustüberlebenden in Israel hängt auch und vor allem mit der Einwanderung russischer Juden zusammen. Viele der älteren Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die vor Ende des Zweiten Weltkrieges geboren wurden, werden als «Opfer der Naziverfolgung» anerkannt. Laut Merkaz Ha Irgunim sind die Überlebenden und die Entschädigungsberechtigten in zwei Gruppen einzuteilen: Die erste Gruppe litt in Konzentrationslagern, Ghettos oder unter direkter deutscher Besatzung. Dies sind 80.000 bis 85.000 Überlebende in Israel, von denen heute ungefähr 8.000 unter der Armutsgrenze leben. Die zweite Gruppe sind ehemalige Flüchtlinge, die aus Städten wie Kiew oder Bialystok flohen, bevor die Wehrmacht sie eroberte. Sie kamen seit den 1990er Jahren nach Israel. Man geht von 160.000 Personen aus, von denen bis zu 80.000 unter der Armutsgrenze leben. Das israelische Brokdale Institut für angewandte Sozialforschung veröffentlichte ähnliche Zahlen. Die Zahlen sinken derzeit rapide aufgrund der hohen Sterberate unter den Holocaustüberlebenden. Noach Flug, der Leiter des Dachverbandes, sagte der Jüdischen Zeitung: «Die Finanzlage der zweiten Gruppe ist am schlimmsten. Materiell befinden sie sich in der schwersten Situation. Sie kamen alt und arbeitsunfähig nach Israel und leben vom Geld des Nationalen Versicherungsinstituts sowie von staatlicher Gehaltsergänzung. Diese Bezüge belaufen sich zusammen auf ungefähr 370 Euro pro Monat.»

Israel konnte die Mehrzahl der über 62jährigen russischen Immigranten nicht über eine herkömmliche Altersrente abdecken, da sie nie in Israel gearbeitet hatten. Es stellt sich die Frage, ob viele der schlechter gestellten alten Immigranten über die Holocaustopferregelung abgedeckt werden sollen. Das ginge auf Kosten des staatlichen Gesamtbudgets für Überlebende. Auch beschränkt sich eine schlechte Altersfürsorge nicht nur auf die Holocaustüberlebenden in Israel, sondern betrifft die Gesamtbevölkerung. Laut Armutsbericht des Nationalen Versicherungsinstituts von 2007 leben 23,5 Prozent, also fast ein Viertel der Israelis im Rentenalter unter der Armutsgrenze. Dies bedeutet, dass sie weniger als 375 Euro im Monat pro Einzelperson, oder 600 Euro für ein Ehepaar zur Verfügung haben. Die Israelspezialistin Angelika Timm sieht hierin eine klare Entwicklung: «Die sozialen Gegensätze haben sich aufgrund der neoliberalen Politik Benjamin Netanjahus verschärft. Was die Kluft zwischen arm und reich in entwickelten Ländern angeht, so rangieren vor Israel nur noch die USA. Dies betrifft auch die Altersfürsorge. Da das soziale Netz grobmaschiger geworden ist, fallen viele der Älteren durch.»

Gewaltig aufgebauschte Statistik

Noach Klieger sieht dies ähnlich. Der 82jährige, der seit 50 Jahren für die israelische Tageszeitung Jediot Acharonot schreibt, ist Spezialist für Holocaust Themen. Im Gegensatz zu jüngeren Kollegen, lernte er «vor Ort», sagt er mit zynischem Humor. Auf seinem linken Unterarm ist die Nummer 172345 tätowiert. Als Mitglied der Ausschwitz-Boxstaffel musste er sich unter den Augen des SS-Hauptsturmführers Heinrich Schwarz mit anderen KZ-Häftlingen prügeln. «Es ist tatsächlich sehr schwer von 370 Euro im Monat zu leben. Aber dies ist kein Monopol der Holocaustüberlebenden, sondern hängt mit der schlechten Altersfürsorge des Staates zusammen. Es gibt keine 250.000 Überlebenden und es gibt keine 80.000 Not leidenden Überlebenden in Israel. Dies ist eine Frage der Statistik und wird gewaltig aufgebauscht. Man sieht ja auch, dass die nicht böse auf die Deutschen sind, sondern auf den israelischen Staat. Der wahre Grund ist, dass die von Israel kompensierten Überlebenden jahrelang weniger bekommen haben, als die aus Deutschland. Es ist die Wut. Sie sind sauer auf die Behörden. Darum bin ich auch überzeugt, dass die ganze Geschichte viel heißer gekocht als gegessen wird.»

An diesem heißen Thema hatte sich die Regierung Olmert letztes Jahr den Mund verbrannt. Der Itzkowitz-Ausschuss zur Untersuchung der Lage bedürftiger Überlebender, vom Minister für Soziales, Isaak Herzog, im Frühjahr 2007 beauftragt, begann seine Arbeit mit einer breit angelegten Definition des Begriffs «Holocaustüberlebender». Der Ausschuss ordnete 250.000 Menschen in diese Kategorie ein, welche während des zweiten Weltkrieges unter deutscher Besatzung oder in einem Land lebten, welches mit Deutschland kooperierte. Letztlich empfahl der Ausschuss, diejenigen finanziell zu unterstützen, die sich während des Zweiten Weltkrieges innerhalb Deutschlands, unter deutscher Besatzung, oder in einem Land, das mit Deutschland kollaborierte, in Ghettos, Konzentrationslagern, Arbeitslagern oder Verstecken befunden hatten. Zusammen waren dies etwa 55.000 Personen. Aus einem Budget von circa 130 Millionen Euro empfahl die Kommission, etwa 185 Euro monatlich an jedes Opfer zu zahlen.

Israel ändert Definition «Holocaustüberlebender»

Die Regierung Olmert sprach sich jedoch dafür aus, finanziell schlecht gestellte Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die als Holocaustflüchtlinge gelten, mit in die Berechnung einzubeziehen. Dadurch stieg ihre Zahl auf 120.000. Gleichzeitig unterlag das Budget für Holocaustüberlebende einer drastischen Kürzung. Als Ergebnis blieb eine vorgeschlagene Zuwendung von etwa 15 Euro pro Monat, was einen empörten Aufschrei von Seiten der Opfer und ihrer Organisationen auslöste.

Kritiker von Olmerts Vorschlag sagten daraufhin, er wolle lediglich ältere Einwanderer aus der Sowjetunion als Unterstützer zu gewinnen. Andere Stimmen meinten, die Regierung Olmerts sei die erste, die etwas für die Holocaustflüchtlinge aus der Sowjetunion tut und ihnen Opferstatus zuerkennt, während vorige israelische Regierungen hier versagten. Ein auf Entschädigungsleistungen spezialisierter Tel Aviver Anwalt sagte dazu: «Es ist bedauernswert, dass Israel sich nicht um diese Flüchtlinge gekümmert hat. Die älteren Juden, die hinter dem „Eisernen Vorhang" lebten, kamen praktisch besitzlos nach Israel. Viele leben in einer sehr schlechten finanziellen Lage. Es ist einfacher, Zahlungen zu erhalten, wenn man sagt, dass sie Holocaustopfer sind. Olmert hat ihre Lage verbessert, indem er die Definition der auf Entschädigung berechtigten Holocaustopfer erweiterte.»

Mittlerweile hat die Knesset ein «Gesetz zur Entschädigung Holocaustüberlebender» verabschiedet. Demnach werden ab April 2008 diejenigen der zwei Gruppen entschädigt, die bislang leer ausgingen. Den Hauptteil erhält die erste Kategorie der ungefähr 8.000 Überlebenden der Konzentrationslager, Ghettos und deutschen Besatzung. Laut einem Bericht der Tageszeitung «Haaretz» soll ihnen eine magere Rente von 185 Euro und ein einmaliger jährlichen Bonus von 725 Euro weiterhelfen. Die zweite Gruppe sei gemischt, was wiederum darauf hinweist, dass es sich tatsächlich um ein übergreifendes Problem der Altersarmut in Israel handelt. Die Gruppe besteht laut «Haaretz» aus 140.000 Senioren, Holocaustüberlebenden und andere, finanzielle Notleidende, die monatlich Zuschüsse von bis zu 50 Euro erhalten sollen. Bereits im letzten Jahr verlangte der Minister für die Angelegenheiten der Senioren, Rafi Eitan, Deutschland solle hier finanziell weiterhelfen.

Claims Conference in der Kritik

Für all diejenigen, die weitere Leistungen beanspruchen, kommen private Hilfsorganisationen auf. So entwickelte sich der 1994 gegründete Wohlfahrtsfonds für Holocaustgeschädigte, der aus der Dachorganisation Merkaz Ha Irgunim entsprang, zu einer Anlaufstelle für Überlebende. Er hilft bei medizinischen und Pflegeleistungen und vergibt Gelder für die Anschaffung von Hörgeräten, Medikamenten und Zahnbehandlungen. Kritiker sagen jedoch, der privat initiierte Fonds sei zum Sozialamt der Überlebenden geworden, während der Sozialstaat in Israel allmählich auseinander fällt.

Der Fond wird zum Großteil von der Jewisch Claims Conference (JCC) finanziert, einem Dachverband weltweiter jüdischer Organisationen, der 1951 gegründet wurde. Bis heute verhandelte die JCC mehr als 60 Milliarden Dollar an Entschädigungen aus. Dazu gehört das «Bundesentschädigungsgesetz BEG zur individuellen Entschädigung der jüdischen Nazi- und Holocaustopfer innerhalb der BRD». Mit Ablauf der Anmeldefrist 1969 verzichtete die JCC auf weitere Ansprüche. So schrumpfte die Organisation während der 1970er Jahre zeitweise zu nur einem Mitarbeiter zusammen. Mit der massenhaften Emigration von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1979, jedoch zu Neuverhandlungen zwischen der JCC und Deutschland. Diese wurden mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch der Sowjetunion fortgesetzt. Die Verhandlungen führten zu weiteren Zahlungen Deutschlands an hunderttausende jüdischer Opfer des Nationalsozialismus. Seit den 1980er Jahren ging die BRD Neuverhandlungen unter der Bedingung ein, dass die Jewish Claims Conference die Verwaltung der Gelder selbst übernehme.

Die JCC übernahm auch die Verhandlung für offene Vermögensfragen vormaligen jüdischen Besitzes auf dem Boden der ehemaligen DDR, soweit die rechtmäßigen Besitzer nicht bis zur Frist vom 31. Dezember 1992 beim Bundesamt für Vermögensfragen ihren Antrag gestellt hatten. Sie stellte 120.000 Generalanträge, von denen 73.000 angenommen und 11.000 positiv beschieden wurden. Dies machte die JCC zu einer der weltweit vermögendsten gemeinnützigen Organisationen. Heute hat die JCC mehr als 250 Mitarbeiter weltweit. Im Zuge der Debatte um die israelischen Holocaustopfer kam jedoch auch sie unter heftigen Beschuss. Die israelischen Reporter Guy Meroz und Orly Vilnai Federbusch behaupten in ihrem Dokumentarfilm «Musar Ha Shilumim», «Die Zahlungsmoral», dass die JCC ihr Vermögen nicht an hilfsbedürftige Opfer verteile. Neben dem israelischen Staat wird so die JCC als zweiter Sündenbock für die Krise der Lage der Holocaustüberlebenden angeprangert.

Die Tel Aviver Buchhaltungsfirma Bar Lev Investigative Auditing verfasste im letzten Jahr einen vorläufigen Bericht zur JCC. Der Leiter der Firma, Yehuda Bar Lev, lehnte bisher jeden Kommentar dazu ab. Angeblich wurde der Bericht im Auftrag der Jewish Agency und des Ministeriums für die Angelegenheiten der Senioren verfasst. Die Jewish Agency bestritt jedoch gegenüber der Jüdischen Zeitung, den Report mit in Auftrag gegeben zu haben, man müsse sich an die Regierung wenden. Allerdings erschien bereits eine Zusammenfassung des Berichtes auf «Ynet», dem größten israelischen Internetzeitungsportal, auf welche sich die Jüdische Zeitung hier bezieht.

Die JCC verfügt gemäß des Berichts von Bar Lev über etwa eine Milliarde Dollar liquider Posten und zusätzlichen materiellen Besitz von unbekanntem Wert. Während der letzten vier Jahre, so der Vorabbericht, habe die JCC den Großteil des Geldes nicht für soziale Unterstützung zur Verfügung gestellt, sondern sei darauf sitzen geblieben. Außerdem mangele es an Transparenz, da Verwaltungskosten von mehreren Millionen Dollar pro Jahr nicht individuell zugeordnet würden und deshalb nicht detailliert nachvollziehbar seien. Auch die Verwaltung und Investition des Vermögens werde nicht klar dargelegt. Dies sei einer der Gründe, warum zehntausende Holocaustüberlebende in Israel und weltweit in finanzieller Bedrängnis lebten.

Greg Schneider, Vizedirektor der New Yorker Büros der JCC, weist diese Vorwürfe in einem Interview mit der Jüdischen Zeitung scharf zurück. «Dies ist der unprofessionellste Bericht, den ich je gesehen habe. Die Firma, die ihn verfasste, hat nicht ein einziges Mal mit uns gesprochen. Der Hauptvorwurf lautet, dass wir auf einer Milliarde Dollar (635 Millionen Euro - P.H.) säßen.» Zwar stimme es, dass das Vermögen 2006 mehr als eine Milliarde Dollar betragen habe, doch dies seien keine flüssigen Posten. «Momentan stehen 268 Millionen Dollar (170 Mio. Euro - P.H.) zur sofortigen Verfügung. Pro Jahr werden fast 150 Millionen Dollar (95 Mio. Euro - P.H.) weltweit an Organisationen verteilt, die soziale Dienst für Holocaustüberlebende bieten.»

Verteilungsproblem der JCC

Laut Finanzbericht der JCC sollen in den nächsten drei Jahren insgesamt 233 Millionen Euro verteilt werden. Des Weiteren sind hohe Millionenbeträge für Erben zurückgelegt, die Ansprüche auf Besitz in der ehemaligen DDR geltend machen. Auch Erben, die bereits einen Antrag gestellt, aber noch nicht alle nötigen Dokumente bereit gestellt haben, fielen unter diese Regelung. Hohe Summen seien laut JCC-Bericht für Projekte bewilligt, die erst nach Einreichung der finanziellen Berichte der Antragssteller ausgezahlt werden könnten. Für Holocaustüberlebende ab dem Alter von 75 Jahren wurden 160 Millionen Euro angelegt. Von diesen Mitteln sollen sie während der nächsten zehn Jahre profitieren. Der gerade einmal eine Seite umfassende der Bericht der JCC enthält allerdings keine detaillierte Auflistung der Projekte oder Empfängerpersonen.

Die Vorwürfe an die JCC, sie missbrauche ihre Rolle als Verwalterin jüdischen Eigentums, seien falsch, sagt die Sprecherin des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), Dr. Ellen Händler. «Die Verteilung ist nicht unser Problem. Wir sind froh, dass wir die JCC als Ansprechpartner haben und als Rechtsnachfolger für alle, die selber keine Ansprüche anmelden konnten, oder nicht mehr leben. Der deutsche Staat würde doch sonst das Eigentum behalten. Das kann doch nicht im Interesse der Israelis sein.»

Orly Vilnai Federbusch und Guy Meroz, die zwei israelischen Journalisten, setzen indes ihre Kampagne gegen den israelischen Staat und die JCC unbeirrt fort. Der nächste Dokumentarfilm soll bald unter dem Titel «Der Kampf geht weiter!» erscheinen. Gemäß Federbuschs Quellen wurden die Untersuchungen der israelischen Buchhaltungsfirma nach dem vorläufigen Bericht eingestellt, da die JCC der Jewish Agency gedroht habe, sie aus ihrem Budget zu streichen. «Ich will mir nicht selbst auf die Schulter klopfen, aber das neue Gesetz, die Untersuchungskommission, und die Auszahlung der Nationalbank von 20 Millionen Schekel (3,6 Mio. Euro - P.H.) gehen auf unseren Film zurück.» Da hat sie vielleicht recht. Doch die Ausstrahlung zur besten Sendezeit vor Millionen von Zuschauern ist ebenso ein deutlicher Beweis, dass man mit dem Thema Holocaust Geld machen und berühmt werden kann. Diese Berühmtheit brauche sie nicht, sagt Federbusch. Es ginge ihr um die Aufdeckung einer furchtbaren Schande, die auf der israelischen Gesellschaft liege, und die schnelle Hilfe für die restlichen Überlebenden.

«Jüdische Zeitung», April 2008

www.j-zeit.de

 

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