«Wir sind in Israel die Ausgestoßenen»
Die israelischen Frauen von Machsom Watch legen Zeugnis ab über ihre Arbeit an den Checkpoints imWestjordanland und über ihre Gesellschaft
von Philipp Holtmann

Dient die Enteignung, Unterteilung, Besiedlung und Abschottung des Westjordanlandes, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Menschenrechte der Palästinenser der Sicherheit Israels? Oder hauptsächlich dem Schutz von mehr als 250.000 jüdischen Siedlern im seit 1967 besetzten Gebiet? Ist es gar eine gezielte Politik der Schikane, die es zweieinhalb Millionen Palästinensern unmöglich machen soll, in ihrer Heimat zu leben? Im politischen und militärischen Diskurs des Staates Israel dominiert der Konsens, dass alle Bewegungseinschränkungen der Palästinenser sicherheitsrelevant sind. Diese Ansicht teilt auch die Mehrheit der israelischen Bürger.

Die Frauenorganisation Machsom Watch, auf Deutsch «Kontrollposten-Wache», gehört zum harten Kern der israelischen Menschenrechtsbewegungen, die sich dem breiten Konsens widersetzt. Ihre Arbeit: Frauen beobachten das Verhalten israelischer Soldaten gegenüber den passierenden Palästinensern. Ihre These: Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, die Israel den Palästinensern mit den Checkpoints auferlegt, dienen nicht der Sicherheit. Sie sind ein elementares Instrument der Besatzung, deren Ende nicht in Sicht ist. Zu groß seien Israels politische, wirtschaftliche und strategische Interessen am Westjordanland. Am 1. September wurde Machsom Watch der Aachener Friedenspreis verliehen. Aus diesem Anlass unterhielt sich die «Jüdische Zeitung» mit Frauen aus der Organisation.

Das hebräische Wort «Machsom» bedeutet auf Deutsch «Barriere», «Hindernis» und «Maulkorb». Die häufigste Verwendung im Hebräischen ist «Kontrollposten». «Machsom » gehört zum alltäglichen Sprachgebrauch in Israel und den besetzten Gebieten. Machsom Watch wurde im Februar 2001 gegründet. Nach einem Vortrag der israelischen Journalistin Amira Hass über hochschwangere palästinensische Frauen, die an Checkpoints entbinden mussten, machten sich fünf israelische Frauen eines Morgens auf den Weg zum Kontrollposten Nummer 300 in der Nähe von Bethlehem. Den verdutzten israelischen Wachsoldaten erklärten sie, sie wollten den Sonnenaufgang auf «der anderen Seite», der palästinensischen, betrachten.

Bald nach der «Sonnenaufgangsexpedition» wuchs die Zahl der Mitglieder von fünf auf dreißig. Seit 2005 zählt Machsom Watch bereits etwa 300 Frauen. Es sind meist ältere Frauen, Mütter und Großmütter. Sie beobachten das Verhalten der Soldaten an den Kontrollposten und schreiten notfalls ein, wenn Palästinensern Gewalt angetan wird. Es gibt drei Hauptgruppen, je eine ist für das südliche, zentrale und nördliche Westjordanland zuständig. Gemäß ihren Wohnorten nehmen die Frauen aus Tel Aviv, zum Beispiel, an Schichten im nördlichen Westjordanland teil, während diejenigen aus Jerusalem in das zentrale und südliche Westjordanland fahren. Jeden Tag finden pro Gruppe zwei Schichten, eine morgens und eine abends statt. Die Organisation ist nicht hierarchisch aufgebaut, alle Grundsatzentscheidungen werden gemeinsam getroffen. Etwa 70 Prozent der Frauen arbeiten vor Ort, während der Rest organisatorische Aufgaben erledigt.

Die Präsenz der Frauen soll deeskalierend wirken. Regelmäßig werden aber die Machsom- Watch-Frauen selbst Opfer von Gewalt durch radikale jüdische Siedler und rechtsextreme Organisationen wie «Kachol-Lavan», «Blau-Weiß», die aus dem Raum Haifa kommen. Tami Cohen, 78, aus Tel Aviv, die noch in der Zeit des Jischuw, der vorstaatlichen jüdischen Besiedlung Palästinas, in der jüdischen Spezialeinheit der «Palmach» für Israels Unabhängigkeit kämpfte, wurde bereits zweimal bei solchen Attacken durch Radikale verletzt. «Die Gruppe „Kachol-Lavan" ist sehr gewalttätig», sagt Cohen. «Doch wenn die Polizei bei solchen Attacken auch uns verhaftet, werden die Opfer den Tätern gleichgestellt!»

Die Frauen von Machsom Watch sind alles andere als «jüdische Selbsthasserinnen», oder «irrationale Linke», die ihren Staat und die Gesellschaft anschwärzen. Im Gegenteil, sie bezeichnen sich als Patriotinnen. Viele der Frauen kommen aus den Gründerfamilien, die dem zionistischen Ideal tief verbunden sind. Die meisten sind mittel- und osteuropäisch-jüdischer Herkunft, sie stammen aus Familien, die direkt vom Holocaust betroffen waren. In den letzten Jahren, im Zuge des Beitritts hunderter neuer Mitglieder, kam es aber auch innerhalb von Machsom Watch zu ideologischen Differenzen. Ein größerer, rein humanitär-israelisch orientierter Flügel und ein kleinerer, politisch links orientierter Flügel, darunter die Gründerinnen der Organisation, bildeten sich heraus. Während der humanitär orientierte Teil der Frauen der eigenen Gesellschaft gegenüber politisch gemäßigt gegenübersteht, übt das linke Spektrum von Machsom Watch scharfe Kritik am israelischen Narrativ hinter der Besatzung. Diese Frauen sagen, dass die Besatzung schwere Auswirkungen auf die israelische Zivilgesellschaft hat, in der Gewalt, Rassismus, Sexismus und Militarismus jüdisch-humanistische Ideale zu verdrängen drohen. Den Frauen geht es um grundlegende ideologische Probleme in der israelischen Gesellschaft. Schließlich sehen sie sich als Mütter, die Kinder gebären und erziehen und somit immer wieder aufs Neue die Gesellschaft erschaffen. Beide Flügel haben jedoch eins gemeinsam: Sie sind gegen die Besatzungspolitik und das Unrecht, das den Palästinensern im Westjordanland angetan wird. Jedem Beobachtungseinsatz an den Checkpoints folgt ein Bericht, der im Internet veröffentlicht wird. Einige der Frauen hoffen, dass ihre ausführliche Dokumentation eines Tages dazu beitragen wird, den Staat Israel vor einem internationalen Gerichtshof wegen Kriegsverbrechen an der palästinensischen Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen. Dafna Banai aus Tel Aviv wollte im Sommer 2002 im Rahmen einer humanitären Aktion gemeinsam mit Bekannten Insulin in ein palästinensisches Dorf nördlich von Nablus bringen. An einer Straßenkreuzung wurde sie von einem jüdischen Siedler bedroht. Er hielt Banai seine Pistole an den Kopf und drohte, sie umzubringen. Banai fiel danach geschockt in Ohnmacht. Kurz darauf schloss sie sich Machsom Watch an, in der sie eine geeignete Plattform sah, um ihre eigene Form von israelischem Patriotismus zu praktizieren.

„Man kann nicht gegen Antisemitismus kämpfen und gleichzeitig ein anderes Volk unterdrücken (Roni Hammermann)"

«Wir sind Ausgestoßene in der israelischen Gesellschaft», sagt die 59-jährige Banai im Gespräch mit der «Jüdischen Zeitung». Banai sitzt in einem Berliner Café unweit des Geburtshauses ihrer Großmutter in der Rodenbergstraße, die von hier aus als 13-Jährige vor den Nazis floh. «Mit unserer Arbeit rütteln wir an den Grundpfeilern der Armee», erklärt sie. «Die Armee kommt in Israel gleich nach Gott. Wir versuchen jedoch die Botschaft zu übermitteln, dass wir Unterdrücker sind, dass unsere Söhne die Arbeit von Unterdrückern verrichten. Sie werden einer Gehirnwäsche unterzogen. Wenn sie dann am Checkpoint stehen, hassen sie die palästinensische Bevölkerung und können in ihr nichts anderes mehr sehen als Terroristen. » Bereits Kinder würden laut Banai dazu erzogen, den Armeedienst hochzustilisieren. Als ihr Sohn einmal im Kindergarten durch unruhiges Verhalten auffiel, fragte die Kindergärtnerin Banai bestürzt, ob aus ihm jemals ein guter Soldat werden würde. «Die jüdische Gesellschaft ist schlimmer militarisiert als die palästinensische», meint Banai. Durch das wichtigste gesellschaftliche Übergangsritual, den für Frauen zwei und für Männer drei Jahre währenden Militärdienst, würden bei vielen jungen Israelis restliche Vorbehalte gegenüber Aggression und Gewalt zerstört. Viele Israelis wollen deshalb in eine imaginär heile Welt fliehen, der Realität könnten sie nicht mehr ins Auge schauen. Als Banai vor Mitgliedern der gemäßigten Meretz-Partei einen Vortrag von Machsom Watch mit Bildern aus dem besetzten Westjordanland hielt, musste dieser abgebrochen werden, weil die Zuschauer es nicht mehr aushielten. «So sieht es nun einmal aus - ein Apartheidsystem, das jeden Aspekt des täglichen Lebens der Palästinenser in der Westbank betrifft», meint Banai lakonisch.

Daniela Yoel, 65, orthodoxe Jüdin aus Jerusalem und eine der Gründerinnen von Machsom Watch, bestätigt Banais Erfahrungen. Sie lebt ein schizophrenes Leben. Auf der einen Seite ist sie orthodoxe Jüdin, auf der anderen politische Aktivistin. Sie ist eine Zabarit, eine in Israel Geborene, und stammt aus einer national-religiösen Familie. In den Augen vieler Bekannter, auch ihrer Familie, passten ihre Herkunft und die Tätigkeit bei Machsom Watch nicht zusammen. Sie fänden es angenehmer, würde Yoel schweigen, anstatt zu berichten. Doch schweigen wollte Yoel nie. «Sicherheit» sei der neue Gott der israelischen Gesellschaft, sagt sie. Dies produziere eine Gesellschaft, die blind dem Militär folge und keine eigenständigen Meinungen mehr vertrete. Somit gehe die jüdische Tradition des skeptischen Hinterfragens vollständig verloren. «Doch gerade solch eine Kultur brauchen wir, denn die Besatzung schafft auf systematische Art und Weise Gesetze der Diskriminierung. Dabei sind die Rabbiner, welche der Besatzung indifferent gegenüberstehen, die größten Verbrecher!», meint die Orthodoxe. Auch sieht Yoel in Gott nicht die richtige Adresse. Hier müssten Staat und Gesellschaft einwirken. Im Gespräch über ihre Erfahrungen bei Machsom Watch schildert Yoel eine Situation, die bei ihr ein Trauma hinterlassen hat: Eine hochschwangere palästinensische Frau wurde an einem Checkpoint nicht durchgelassen und gebar Zwillinge, die beide noch vor Ort verstarben. Kurze Zeit darauf brachte auch Yoels Tochter Zwillinge zur Welt. Jedes Mal, wenn Yoel nun ihre beiden Enkel sieht, muss sie an den schrecklichen Vorfall am Checkpoint denken, dessen Zeugin sie wurde. Dies erzeuge in ihr ein Gefühl kognitiver Dissonanz, symbolisch für die jetzige Gesamtsituation, sagt sie.

Momentan gibt es mehr als 500 «physische Obstruktionen», aufgeschüttete Erdhügel, Betonblöcke, Gräben und andere improvisierte Hindernisse im Westjordanland. Der Gang zur Arbeit oder zum nächsten Dorf wird zu einem Hindernislauf mit Passierschein in der Hand. Innerhalb des Westjordanlandes - flächenmäßig doppelt so groß wie das Saarland - gibt es 63 permanente Checkpoints mit Passierscheinpflicht. Zudem gibt es 40 Checkpoints zwischen dem Westjordanland und Israel, deren Großteil sich auf palästinensischem Gebiet befindet. Eine Mauer mit Türmen führt im willkürlichen Zickzack um das Ganze herum. Durchschnittlich würden pro Woche um die 66 «fliegende» Checkpoints errichtet. Die israelische Journalistin Amira Hass nennt diese Politik Israels «Politik der Schließung». Seit 1991 werde diese laut Hass systematisch vorangetrieben, um die Schaffung eines palästinensischen Staates zu verhindern.

Im Dezember 2001, ein gutes Jahr nach dem Beginn der Zweiten Intifada, wurde ein Militärgesetz erlassen, das die Bewegungsfreiheit innerhalb des Westjordanlandes zwischen den größeren palästinensischen Städten einschränkte. Diese wurden zu geschlossenen Militärzonen erklärt, deren Verlassen nur mit Erlaubnis des Militärs gestattet ist. Allein zwischen Juni 2002 bis Dezember 2004 lagen die Städte Nablus und Hebron 30 Prozent der Gesamtzeit unter Ausgangssperre. Die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel (ACRI) hatte maßgeblichen Anteil daran, dass das Militärgesetz im Januar 2008 vorläufig aufgehoben wurde. Limor Yehuda, Rechtsspezialistin bei ACRI, die mehrere Petitionen zur Aufhebung des Gesetzes an den obersten israelischen Gerichtshof richtete, erklärt: «Nur wenn man Sicherheit als Beschützen der Siedler definiert, dann sind alle Restriktionen und Checkpoints sicherheitsrelevant.»

Sari Bashi, Anwältin bei der israelischen Menschenrechtsorganisation Gisha, führt zur Checkpointpolitik Israels aus: «Das System der Reiseeinschränkungen reflektiert nicht Sicherheitsbelange, sondern eine Politik der kollektiven Bestrafung, die jeglichen internationalen Rechtsgrundsätzen widerspricht.» Dazu gehöre zum Beispiel Artikel 12 der Internationalen Vereinbarung für Politische und Bürgerrechte (ICCPR) zum unabdingbaren Recht der Bewegungsfreiheit, den Israel 1991 ratifizierte, und das Vierte Genfer Abkommen vom 12. August 1949, das eine Besatzungsmacht zum Schutz der Besetzten verpflichtet. Bashis Resümee zur gegenwärtigen Situation: «Wenn wir so weitermachen, enden wir bei einem Apartheidsstaat. » Indizien dafür liefert auch ein Bericht der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem, wonach das Westjordanland in sechs geographische Einheiten unterteilt ist und diese wiederum in verschiedene Untereinheiten, die jeweils scharf kontrolliert werden. Ziel sei es laut Betselem, die jüdische Besiedlung zu erleichtern, und eine totale Trennung zwischen Palästinensern und jüdischen Siedlern herbeizuführen.

Roni Hammermann, 68, aus Jerusalem, ist seit den späten 1960er Jahren linke Aktivistin und sagt, sie sei Machsom Watch aufgrund des tief in ihrer Familie verankerten Gerechtigkeitssinns beigetreten. Das Schicksal ihres Großvaters und seine Erzählungen vom Holocaust hatten direkten Einfluss auf ihre Beziehung zu den Palästinensern. Hammermann: «Ich bin damit aufgewachsen, meine Stimme zu erheben, wenn irgendwo Unrecht geschieht. Man kann nicht gegen Antisemitismus kämpfen und gleichzeitig ein anderes Volk unterdrücken.» Obwohl säkular, ist Hammermann, wie auch viele andere Machsom-Watch-Frauen, tief beeindruckt vom Rabbiner Jeschajahu Leibowitz, der sich bereits Ende der 1960er Jahre gegen die Besatzung aussprach. «Leibowitz hatte schon damals gesagt, dass Okkupation nicht nur Einfluss auf die Okkupierten hat, sondern auch auf die Okkupanten. Und wir stehen heute an einem Punkt, an dem wir uns über unsere Gesellschaft Sorgen machen müssen. Es entstehen Verhaltensformen, die nicht an der „Grünen Linie" (der von der UNO anerkannten Grenze zwischen Israel und den besetzten Gebieten - d.Red.) stehenbleiben, sondern einsickern», erklärt Hammermann. Schwer wiegt auch Hammermanns Vorwurf, Israel würde den Antisemitismus zu seinem Vorteil instrumentalisieren. «Selbstverständlich ist die Angst im jüdischen Volk inhärent, nicht erst seit der Staatgründung. Doch Menschen, die ständig in Angst leben und in Angst gehalten werden, sind rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich, sondern nur noch radikalen Methoden, die ja keine Lösungen sind! Ich wünschte mir, wir würden mit allen palästinensischen Fraktionen sprechen, Hamas inbegriffen», sagt Hammermann. Doch die uneingeschränkte Unterstützung für Israel, das jegliche Kritiker mit dem Vorwurf des Antisemitismus bedrohe, verhindere dies, meint sie. «Ich wünschte mir konstruktive Kritik von Seiten der Europäer. Besonders Merkels untertäniger Ton vor der Knesset hat mich stark enttäuscht. Wirkliche Freunde üben einfach Kritik; vielleicht ist Deutschland doch nicht so am Wohlergehen Israels interessiert? Der Weg, den Israel geht, ist katastrophal», konstatiert Hammermann.

Yehudit Kirstein Keshet, 65-jährige Jerusalemerin und Gründungsmitglied anno 2001, hat ein Buch über Machsom Watch geschrieben. «Checkpoint Watch - Zeugnisse israelischer Frauen aus dem besetzten Palästina» ist 2007 im Nautilus-Verlag erschienen. Die Aussagen verschiedener Aktivistinnen zeichnen ein Bild von Willkür an den Checkpoints, von Unfähigkeit, an Sadismus grenzender Bürokratie, Staatsrepression und unendlicher Frustration in den besetzten Gebieten. Weder der Sicherheitszaun, der die Bauern widerrechtlich von ihren Feldern abschneidet, noch von Bulldozern an Ortseingängen aufgeschüttete Erdhaufen und willkürliche Kontrollen können laut Keshet Selbstmordattentäter aufhalten. Sie zerstören vielmehr das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Gefüge der Palästinenser. Doch weitaus besorgniserregender ist Keschets Analyse, wonach die Unterdrückung der Palästinenser auch die eigene, die israelische Gesellschaft von innen zerstöre, die im Eskapismus versinke.

Vielleicht konnte E. aus Kfar Saba, die eineinhalb Jahre lang Schichten an den Bei-Iba- und Hawwara-Checkpoints bei Nablus begleitete, in umgekehrter Weise das Ausmaß an fehlender Loyalität nicht mehr aushalten. Es geschah an der Kreuzung der Straßen 557 und 60 im Norden des Westjordanlands. Immer wieder hatten Siedler E.s Gruppe verfolgt, hatten sich die Zeiten ihrer Einsätze notiert. E. kam gerade von einem langen Tag an den Kontrollposten zurück, als jüdische Siedler sie stoppten. Sie wurde von einer Handvoll Siedlerinnen brutal zusammengeschlagen, während deren Männer, mit umgehängter Waffe im Hintergrund stehend, diese anfeuerten. Die Armee griff nicht ein. Die Polizei kam erst, als es zu spät war. Verhört wurden nicht die Siedler, sondern die Angegriffene. E. verließ Machsom Watch kurze Zeit darauf. Sie war durch die Maschen eines Besatzungssystems gefallen, das zwischen zivilem Recht für Israelis und militärischem für Palästinenser unterscheidet. Israelische Menschenrechtsaktivistinnen finden dort keinen Platz.

«Machsom Watch», sagt Dafna Banai, »will vermitteln, dass die Besatzung in jede Zelle des menschlichen Körpers eindringt, ein totales Gefühl von Kontrollverlust ist.» Jetzt planen die Aktivistinnen am Aufbau einer Diskussionsplattform, um möglichst weite Teile der israelischen Gesellschaft zum Nachdenken über die Auswirkungen der Psychologie und Natur der Besatzung zu bewegen. Daniela Yoel bittet am Ende des Gesprächs, die Friedensbemühungen von Machsom Watch zu unterstützen. Für die israelische Gesellschaft wünscht sie sich, sie möge sich mit dem Nahen von Rosch HaSchana, dem jüdischen Neujahr, an Psalm 34,15 erinnern: «Bakesch schalom ve'rodfehu», «Suche den Frieden und jage ihm nach.»

«Jüdische Zeitung», September 2008

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