Israelische Pressestimmen

Die Hartnäckigkeit hat sich bewährt
von Aluf Benn

Tzipi Livni ist ein hartnäckiges Mädchen. Die Journalisten, die sie in den vergangenen Jahren getroffen, sie noch in ihren Tagen als Juniorministerin auf ihrem Weg an die Spitze begleitet und ihren Reden und Erklärungen gelauscht haben, hörten von ihr bis zur Ermüdung stets die gleiche Botschaft. "Ich bin hier wegen des obersten Ziels, das der jüdische und demokratische Staat ist. Daher unterstütze ich die Gründung eines palästinensischen Staates, unter der Bedingung, dass er die nationale Lösung für alle Palästinenser sein wird, so wie Israel die nationale Lösung für alle Juden ist." In kleineren Foren wiederholt Livni exakt dieselben Worte und fügt hinzu: "Aber das bleibt zwischen uns, ja?"

Livnis Hartnäckigkeit hat sich gestern bewährt. Im letzten Jahr begann sie mehr als in der Vergangenheit auf Berater zu hören und sammelte die Mehrheit des politisch-medialen Stabes Ariel Sharons um sich.

Livni ist weit davon entfernt, Sharon zu sein. Sie gehört zu einer anderen Generation, und sie hat keinen zynischen und sarkastischen Humor und keine militärischen Erlebnisse wie er. Sie liebt es, sich zu erklären, neigt jedoch nicht dazu, sich über das zu beschweren, was über sie geschrieben oder gesendet wird, oder bei Journalisten über ihre Kollegen zu lästern wie andere Politiker. Es ist ihr wichtig, Selbstsicherheit und etwas Distanz zu zeigen. Leute, die sie zum ersten Mal treffen, sind von ihrer Direktheit beeindruckt. In der Knesset-Cafeteria mag man sie weniger; dort hat man sie vor langer Zeit als Ehrgeizling und gefährliche Anwärterin auf die Krone identifiziert.

Livni bringt ihre Gedanken schriftlich zum Ausdruck. Mehr als um Geistesblitze geht es ihr um Problemlösungen, und sie neigt zur Beschäftigung mit Details. So braute sie den „Livni-Kompromiss“ zusammen, der es Sharon möglich machte, den Abkoppelungsplan durch das Kabinett zu bringen, mit der Unterstützung Biniyamin Netanyahus. So schrieb sie das Kadima-Parteiprogramm, einen Moment vor dem großen Knall Sharons. So wies sie Ehud Olmert den politischen Ausweg aus dem zweiten Libanonkrieg. Aber in all diesen Fällen gab es jemanden über ihr, der die Entscheidungen traf und die Verantwortung übernahm. Mit diesem Luxus ist es nun vorbei. Von jetzt an wird diese Aufgabe Livni zufallen, und ihr steht ein strenger Test bevor.

Wer hat gewählt?

Das Hauptargument gegen Livni – wenn sie eine neue Regierung bildet und an ihrer Spitze steht – wird sein, dass sie kein Mandat der Öffentlichkeit erhalten habe, sondern nur das der Kadima-Mitglieder. Die Behauptung, dass nur 20 000 Leute bestimmt haben, wer Ministerpräsident wird, war schon während des Wahlkampfs zu hören, und sie wird gewiss in der Folgezeit noch stärker werden.

Livni ist nicht die erste, die den Vorsitz einer Regierungspartei mitten in der Legislaturperiode erhalten hat, aufgrund der Entscheidung eines Parteiforums – David Ben Gurion 1955, Levi Eshkol 1963, Golda Meir 1969, Yitzhak Rabin 1974 und Yitzhak Shamir 1983. Auch darf man nicht vergessen, dass nur ein Mann den gegenwärtigen Ministerpräsident ins Amt gewählt hat - Sharon, der Olmert zu seinem Stellvertreter ernannte.

Die Lehre aus dem Aufstieg Olmerts und Livnis an die Spitze besteht darin, dass das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten, das gesetzlich erst 2001 festgeschrieben wurde, seinen Inhaber mit einem seltenen Vorteil bei jedem zukünftigen politischen Machtkampf ausstattet. Es ist ein Vorzug, nur ein Blutgerinnsel oder ein polizeiliches Ermittlungsverfahren vom Amtsinhaber entfernt zu sein. Diese Lehre wird im politischen Apparat von nun an zweifellos beherzigt werden.

Die Prinzen haben gewonnen

Die rotierende Ministerpräsidentschaft von Shimon Peres und Yitzhak Shamir vor zwei Jahrzehnten hat zwei um die zukünftige Führung Israels konkurrierende Gruppen hervorgebracht: die Prinzen des Likud und die „Gruppe der acht“ in der Avoda. Auf der einen Seite standen die Kinder von Führern Beitars, Etzels und der Cherut-Bewegung, auf der anderen eine Gruppe von jungen Abgeordneten, die sich trauten, linkeren Meinungen als das Parteiestablishment der Avoda von einst zu vertreten.

Historisch betrachtet, haben die Prinzen gewonnen. Zwei von ihnen, Netanyahu und Olmert, waren bereits Ministerpräsidenten, und Livni ist auf dem Weg dahin. Die zwei letzteren haben unterwegs eine Umwandlung ihrer politischen Standpunkte vollzogen und klingen heute wie die Mitglieder der „Gruppe der acht“ der Avoda, von denen es niemand an die Spitze geschafft hat. Nicht Chaim Ramon, nicht Yossi Beilin, nicht Amir Peretz und nicht Avraham Burg.

In den nächsten Wahlen werden – laut Umfragen – Netanyahu und Livni gegeneinander antreten. Bibi gegen Tzipi. Der Sohn eines Historikers, der Sekretär Jabotinskys war, gegen die Tochter eines Einsatzkommandanten der Etzel. Dies wird ein süßer, wenngleich später Sieg für das revisionistische Lager sein – das von einer „kleinen und Recht habenden Minderheit“ ins politische Zentrum Israels gerückt ist.

Haaretz v. 18.09.08

Judikative, Legislative und Exekutive in weiblicher Hand
von Fania Oz-Salzberger

Voraussichtlich werden bald drei Frauen an der Spitze der drei Staatsgewalten stehen. Dalia Itzik, Tzipora Livni und Dorit Beinish werden die höchsten Ämter des Staates Israel bekleiden. An ihrer Seite wird bei offiziellen Zeremonien ein einsamer Mann sitzen, verborgen im symbolischen heiligen Schrein der Staatspräsidentschaft.

Dies wird ein stiftender Moment sein nicht nur in den Annalen des Staates Israel, sondern auch in den Chroniken der politischen Regimes. Ein derart feierliches Datum, dass man einen neuen Begriff wird finden müssen: nicht Triumvirat, sondern Triumgynat. Womöglich wird Israel der erste Staat in der Geschichte der Demokratie und seit Begründung der modernen Gewaltenteilung sein, der an seiner Spitze ein Dreieck weiblicher Führungsfiguren hat. Ich füge vorsichtig hinzu: Wenngleich ich noch kein Triumgynat gefunden habe, kann es sein, dass Island oder Norwegen uns schon mit drei Frauen an der Sitze ihrer Staatsgewalten zur einen oder anderen Zeit zuvorgekommen sind. Selbst wenn dem so wäre – der Staat Israel wird hier einen großen historischen Moment schaffen. Warum eigentlich?

Es bleibt noch zu beweisen, ob weibliche Führung wirklich besser ist als männliche, oder sich überhaupt von ihr in substantieller Weise unterscheidet. Im öffentlichen Diskurs in Israel wimmelt es derzeit von nicht bewiesenen Beziehungen zwischen Frauen und Mitleid oder Streben nach Frieden (als ob es Golda Meir und Margret Thatcher nie gegeben hätte). Frauen gelten als „ziviler“, demokratischer (womöglich meint man Liliana Ceausescu oder Soong Ching-ling, die Trägerin des Stalin-Friedenspreises).

Eine automatische Beziehung zwischen dem weiblichen Geschlecht und politischem Taubentum, administrativer Korrektheit oder demokratischem Pflichtgefühl ist kompletter Unsinn. Wenigstens ist es schmeichelnderer Unsinn als die Neigung von Medien weltweit, Livni als „zweite Golda“ zu betrachten. Sei es wie es sei,  es handelt sich hier um geistige Faulheit, ein kurzes Gedächtnis und einen klischeehaften Gender-Diskurs, der verschrottet gehört.

Und dennoch: Israel steht kurz davor, ein beispielhaftes Kapitel in der Geschichte der modernen Demokratie aufzuschlagen. Nicht wenige Frauen stehen heute an der Spitze von Staaten, sei es im Präsidentenamt (in symbolischen oder exekutiven Sinne), sei es im Ministerpräsidentenamt. Teilweise sind sie herausragende politische Führungsfiguren, von Yulia Timoschenko bis – vor allem – zu Angela Merkel. Auch die Zahl der weiblichen Parlamentsvorsitzenden ist in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gewachsen. Wenn es jedoch zur Spitze der Judikative kommt, zur Präsidentschaft der obersten Gerichtshöfe oder Verfassungsgerichte, schrumpft die Zahl erstaunlich zusammen. Faktisch gibt es  beinahe keine Frauen an der Spitze der höchsten Gerichte weltweit.

Insofern ist die Präsidentin Beinish die seltenste Karte im entstehenden israelischen Trio. Die israelische Judikative ist denn auch ein Wegbereiter, und dies nicht nur in Genderfragen. Doch reicht dies nicht aus.

Israel ist die meist bedrohte, meist gehasste, existentiell meist umkämpfte und in der bittersten und brutalsten Debatte um das eigene Überleben versunkene Demokratie der Welt. Die Tatsache, dass drei Frauen an die drei Lenkräder dieser Demokratie gesetzt werden, ist eine seltene Errungenschaft einer politischen Korrektheit im wahrsten und tiefsten Sinne.

Nicht weil Frauen schlauer sind, gemäßigter oder mit saubereren Händen. Sondern weil Frauen – alle Frauen außer Nofretete, Elisabeth I. und einer Handvoll ihrer Schwestern – die gesamte Geschichte hindurch aus der politischen Nation aller menschlichen Gesellschaften ausgeschlossen blieben, bis auf einen kurzen Moment.

Dieser kurze Moment begann vor 120 Jahren. Dies war die vielleicht größte Revolution der Moderne. Israel ist seit der Erfindung des Zionismus ein herausragender Teil dieser Revolution. Frauen waren reguläre Delegierte auf dem ersten zionistischen Kongress und erhielten das Stimmrecht für den zweiten. Das war im Jahr 1898. D. h. der Zionismus hat Frauen politische Gleichberechtigung noch vor allen anderen westlichen Staaten zuerkannt (außer zwei entlegenen autonomen Kolonien, Neuseeland und Südaustralien). Wann war es, dass wir zum letzten Mal innegehalten haben, um an diese Errungenschaft zu denken, um sie vielleicht in die Lehrpläne zu integrieren und sogar stolz auf sie zu sein?

Das stets kämpfende, machoistische, raue Israel, das nicht Neuseeland und nicht Norwegen ist, wird seine Zukunft voraussichtlich bald in die Hände von drei Frauen legen. Über ihre Amtsführung und ihren Erfolg werden wir noch viel diskutieren. Aber wenn der Moment kommt, sollten wir innehalten, in den nationalen Spiegel blicken und dort eine große menschliche Errungenschaft entdecken.

Haaretz, 19.09.08

Der Mythos von Al Aqsa
von Mordechai Kedar

Als der Prophet Mohammed den Islam gründete, führte er nur ein Minimum von Innovationen ein. Er verwendete die geheiligten Figuren, historischen Legenden und heiligen Stätten des Judentums, des Christentums und selbst des Heidentums, indem er sie islamisierte. So war gemäß dem Islam Abraham der erste Muslim, und Jesus und Johannes waren die Propheten und Wächter des zweiten Himmels. Viele biblische Legenden („asatir al-awwalin“), die den heidnischen Arabern vor der Morgenröte des Islam vertraut waren, durchliefen eine islamische Konversion, und sowohl der Koran als der Hadith (die mündliche Überlieferung des Islam) sind voll davon.

Die Islamisierung wurde sowohl an Orten als auch Personen vorgenommen: Mekka und der heilige Stein – al-Ka’bah – waren heilige Stätten der vorislamischen heidnischen Araber. Die Umayyad-Moschee in Damaskus und die Große Moschee in Istanbul wurden über christlich-byzantinischen Kirchen errichtet – zwei der bekannteren Beispiele dafür, wie der Islam mit Heiligtümern anderer Glaubensrichtungen umgeht.

Auch Jerusalem hat den Prozess der Islamisierung durchlaufen: Zuerst versuchte Mohammed, die Juden nahe Medina zum Beitritt zu seiner jungen Gemeinde zu überzeugen und führte – zur Überredung, indem er den jüdischen Brauch einhielt - die Gebetsrichtung (kiblah) gen Norden, gen Jerusalem ein. Nachdem er aber bei diesem Versuch gescheitert war, wandte er sich gegen die Juden, tötete viele von ihnen und richtete die kiblah südwärts, gen Mekka.

Mohammeds Preisgabe Jerusalems erklärt die Tatsache, dass die Stadt kein einziges Mal im Koran erwähnt wird. Nachdem die Muslime Palästina erobert hatten, war Ramlah (30 Km westlich von Jerusalem) seine Hauptstadt, womit angedeutet wurde, dass Jerusalem ihnen nichts bedeutete.

50 Jahre nach Mohammeds Tod entdeckte der Islam Jerusalem neu. Im Jahr 682 rebellierte Abd Allah ibn al-Zubayr gegen die islamischen Machthaber in Damaskus, eroberte Mekka und blockierte den Pilgern den Zugang zur Stadt zum Hajj. Abd al-Malik, der Umayyaden-Kalif, benötigte eine alternative Pilgerstätte und entschied sich für Jerusalem, das damals unter seiner Kontrolle war.  Um seine Wahl zu rechtfertigen, wählte er einen Vers aus dem Koran (17,1), in dem es heißt: „Ruhm sei ihm, der seinen Diener veranlasst hat, bei Nacht von der Heiligen Moschee zur Entferntesten Moschee zu reisen, deren Bezirk wir gesegnet haben, um ihm einige unserer Zeichen zu zeigen, Er ist wahrlich der All-Hörende, All-Sehende.“

Die Bedeutung, die dem Vers zugeschrieben wurde, liegt darin, dass die „Entfernteste Moschee“ (al-masgid al-aqsa) in Jerusalem ist und dass Mohammed dort eines Nachts auf dem Rücken des al-Buraq erschien, einem magischen Pferd mit dem Kopf einer Frau, den Flügeln eines Adlers, dem Schwanz eines Pfaus und Hufen bis zum Horizont. Er band das Pferd an der Westmauer des Tempelbergs an und stieg von dort gemeinsam mit dem Engel Gabriel in den siebten Himmel auf. Auf seinem Weg traf er die Propheten anderer Religionen, die die Wächter des Himmels sind.

So versucht der Islam sich über andere, ältere Religionen zu legitimieren, indem er ein Szenario schafft, in dem die vorigen Propheten Mohammeds Meisterschaft zustimmen und ihn dadurch zum Khatam al-Anbiya („Siegel der Propheten“) machen.

Es ist nicht verwunderlich, dass dieser wundersame Bericht einer Anzahl von Grundsätzen des Islam zuwiderläuft. Wie kann ein lebender Mann aus Fleisch und Blut in den Himmel aufsteigen? Wie kann eine mythische Kreatur einen Sterblichen zu einem wirklichen Ziel führen? Fragen wie diese haben orthodoxe muslimische Denker zu dem Schluss bewogen, dass die nächtliche Reise ein Traum Mohammeds gewesen sei. Die Reise und der Aufstieg ermöglichen es dem Islam, gegenüber der Bibel noch „eins draufzusetzen“: Moses stieg „nur“ den Berg Sinai hinauf und kam dem Himmel nahe, während Mohammed den ganzen Weg hinauf zu Allah ging, und das noch aus Jerusalem selbst.

Worin liegen die Schwierigkeiten mit dem Glauben, dass die in der islamischen Überlieferung beschriebene Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem liegt? Erst einmal glaubten die Leute von Mekka, die Mohammed gut kannten, diese Geschichte nicht. Lediglich Abu Bakr (später der erste Kalif) glaubte daran, weswegen er al-Siqqid („der Gläubige“) genannt wurde. Die zweite Schwierigkeit liegt darin, dass die islamische Überlieferung uns erzählt, dass die Al-Aqsa-Moschee nahe Mekka auf der Arabischen Halbinsel liegt. Dies wurde im „Kitab al-Maghazi“, einem Buch des muslimischen Historikers und Geographen al-Waqidi  eindeutig festgestellt. Al-Waqidi zufolge gab es zwei „masjed“ (Gebetsorte) in al-Gi’irranah, einem Dorf zwischen Mekka und Ta’if – einer war die „nähere Moschee“ (al-masjid al-adna) und die andere die „entferntere Moschee“ (al-masjid al-aqsa), und Mohammed betete dort, wenn er die Stadt verließ.

Die Beschreibung al-Waqidis, die von einer Reihe von Autoritäten (isnads) unterstützt wurde, war der islamischen Propaganda des 7. Jh. nicht ‚genehm’. Um eine Basis für das Bewusstsein der „Heiligkeit“ Jerusalems im Islam zu schaffen, erfanden die Kalifen der Umayyaden-Dynastie viele „Traditionen“, die den Wert Jerusalems hochhielten, wodurch die Pilgerfahrt nach Jerusalem für gläubige Muslime gerechtfertigt wurde. So wurde al-Masjid al-Aqsa nach Jerusalem ‚transportiert’. Es sei betont, dass sich auch Saladin den Mythos von al-Aqsa und die dazugehörigen Traditionen zu Eigen machte, um die muslimischen Krieger im 12. Jh. gegen die Kreuzfahrer zu rekrutieren und anzustacheln.

Ein anderes Ziel der Islamisierung Jerusalems ist die Unterminierung der Legitimität der älteren Religionen, Judentum und Christentum, gewesen, die Jerusalem als heilige Stadt betrachten. Der Islam wird als die einzig legitime Religion präsentiert, die die anderen beiden ersetzen soll, da sie das Wort Gottes verändert und entstellt hätten, jeder auf seine Weise.

Während Judentum und Christentum Seite an Seite in Jerusalem existieren können, betrachtet der Islam sie beide als Verrat an Allah und seinen Lehrern; er hat stets alles in seiner Macht stehende getan (und wird es auch weiter tun), um beide aus der Stadt zu vertreiben. Es ist interessant zu sehen, dass diese Vertreibung rückwirkend ist: Die islamischen Sprecher des palästinensischen Radios behaupten durchgehend, dass die Juden nie einen Tempel auf dem Tempelberg gehabt hätten und bestimmt nicht zwei (Wo hat dann - ihnen zufolge - Jesus gepredigt?).

Yasser Arafat, selbst ein säkularer Mann (man frage die Hamas!), tat genau das, was die Kalifen der Umayyaden-Dynastie vor 1300 Jahren getan haben: Er ordnete die Heiligkeit Jerusalems für seine politischen Ziele an. Er habe die Kontrolle über Jerusalem nicht den Juden übertragen dürfen, da sie laut dem Islam unrein sind und der Zorn Allahs auf ihnen ruht. Mehr als das, die Juden seien die Söhne von Affen und Schweinen. Die Juden seien diejenigen, die die heiligen Schriften verzerrten, die ihn offenbart worden waren, und Gottes Zeichen leugneten. Seit sie den Bund mit ihrem Gott brachen, verfluchte Er sie, und sie sind auf ewig die Erben der Hölle. Wie also hätte Arafat Jerusalem den Juden übergeben können?

Die palästinensischen Medien sind heute voll von Botschaften des Jihad und rufen dazu auf, den nationalpolitischen Krieg zwischen Israel und den Palästinensern in einen religiös-islamischen Krieg zwischen Juden und Muslimen zu verwandeln. Das Christentum ist für sie nicht besser als das Judentum, da beide ihr Recht auf die Herrschaft über Jerusalem ‚verspielt’ hätten. Nur der Islam – Din al-Haqq („die Religion der Wahrheit“) – hat das Recht dazu, und zwar für immer.

Da die Heiligkeit Jerusalems für den Islam seit eh und je nicht mehr als eine politisch motivierte Heiligkeit gewesen ist, würde sich jeder muslimische Führer, der es aufgeben sollte, sein Todesurteil einhandeln. Müssen das Judentum und das Christentum auf die Mythen eingehen, die in den islamischen Texten erwähnt und in Mohammeds Träumen ausgemalt wurden, lange nachdem sich Jerusalem als das antike, wahre Zentrum dieser beiden Religionen, die dem Islam vorangingen, herausgebildet hat? Soll Israel seine Hauptstadt aufgeben, nur weil einige Muslime entschieden haben, die politischen Probleme der Umayyaden wieder aufzubereiten, 1250 Jahre nachdem der Vorhang über ihre Rolle in der Geschichte gefallen ist?

Dr. Mordechai Kedar ist Lecturer an der Abteilung für Arabisch an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan.

Yedioth Ahronot, 15.09.08

Die Bibel passt auf sich selbst auf
von Michael Handelsaltz

Im Staat Israel, der vor 60 Jahren als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes gegründet wurde, das „der ganzen Welt das ewige Buch der Bücher vermacht hat“ (so die Unabhängigkeitserklärung); dessen Amtssprache – neben dem Arabischen – Hebräisch ist, in dem eben jenes Buch der Bücher geschrieben wurde, ist die Herausgabe der Bibel im Hebräisch unserer Tage initiiert worden - mit anderen Worten: ihre Übersetzung ins Hebräische. Ihre Neufassung in derselben Sprache, mit anderen Wörtern.

Es handelt sich hier um eine private kommerzielle Initiative eines alten Bibellehrers, Avraham Ahuvia, und des Verlegers Rafi Moses vom Reches-Verlag. Der Text ist gänzlich punktiert, die Originalverse stehen neben den übersetzten. Im Erziehungsministerium ertönten bereits Wehklagen, und geschwind ist eine Anweisung erlassen worden, die die Benutzung der neuen Übersetzung in den Schulen verbietet. Die Gefahr ist somit abgewendet. Selbst wenn sie wollten, werden Israels Schüler und Lehrer nicht von der neuen Schriftrolle zehren können.

Robert Graves, der 1964 vom britischen Nationaltheater um eine Übersetzung von Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ ins Englische gebeten wurde und dies tat, um dem englischen Zuschauer das Verständnis des 400 Jahre zuvor in englischer Sprache erschienenen Stückes zu erleichtern, sagte: „Was Shakespeare einzigartig macht, ist, dass er wirklich gut ist, trotz all der Leute die sagen, dass er gut ist.“

Die neue Übersetzung beweist, dass dies auch auf die Bibel zutrifft. Es genügt, das Original mit der Übersetzung des ersten Verses des Buchs Genesis zu vergleichen. Der Unterschied zwischen dem Original – „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ - und der Übersetzung  - „Am Anfang der Schöpfung, als Gott die Welt schuf“, ist wie der zwischen Himmel und Erde. Wie jedes große Sprachkunstwerk ist die Bibel in derselben Sprache mit anderen Wörtern ein völlig anderes Kunstwerk.

Die Initiatoren der Übersetzung beeilten sich darauf hinzuweisen, dass ihr Werk um seiner selbst willen gemacht worden sei. „Die Sprache der Bibel ist eine ‚Fremdsprache’ für Israels Schüler, und es besteht der Bedarf nach Vermittlung in einer leichten Sprache, um den Lehrern die Zeit zur Vertiefung freizumachen“, sagte Rafi Moses (der entschieden hat, sich selbst mit dem Unternehmen zu verewigen, in dem er es „RaM-Bibel“ betitelte). Übersetzer Avraham Ahuvia fügte hinzu: „Ich wurde überzeugt, weil wir Lehrer im Unterricht die Bibel mündlich für die Schüler übersetzen, die sich mit dem Verständnis der erhabenen Sprache schwer tun.“

Hier muss man daran erinnern, dass die Entwicklung der westlichen Zivilisation in ihren Sprachen während mehr als zweitausend Jahren dank der Bibelübersetzungen vom Hebräischen ins Aramäische, Griechische, Lateinische und Englische bereichert worden ist. Das Hebräische entwickelte sich selbst über die Generationen hinweg durch Gelehrte, die die Bibel wieder und wieder in die Sprache ihrer Zeit übersetzten, und daher stammen der Talmud und seine Sprache. Und in der Tat gibt es einen Unterschied zwischen dem Hebräisch der Bibel und dem von heute, obwohl es dieselbe Sprache ist. Was noch wichtiger ist: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Hebräischsprechenden vor 60 und mehr Jahren, und denen, die es heute sprechen, obwohl es dieselbe Sprache ist.

Mein Großvater, Israel Eliyahu Handelsaltz, der als Hebräischlehrer und Übersetzer in Polen ein oder zwei Dinge über die Übersetzung der Bibel und ihre Nähe zum gesprochenen Hebräisch wusste, hat das Problem im Jahre 1919 gut auf den Punkt gebracht. Er übersetzte das Buch Esther vom Aramäischen ins Hebräische und die aramäischen Teile des Buches Daniel. In einem Artikel, den er in der pädagogischen  Zeitschrift „Hamadrich“ (erschienen in Lodz/Polen) veröffentlichte, schrieb er: „Einst erwarb man die Kenntnis der Hebräischen Sprache durch die Kenntnis der Heiligen Schrift und des Talmud, die Kenntnis der Grammatik begann mit der Auslegung Raschis, dem Stil der Mischna und ihren Verzweigungen, der Sprache der Rabbiner (…), Unbildung war damals keine Option. Ein ‚Hebräisch-Kundiger’  und ein Ignorant waren zwei Gegensätze. Nun haben sich die Dinge geändert: Der durchschnittliche Hebräisch-Kundige braucht die Bibel überhaupt nicht, und wenn er sie gelernt hat, dann nur stückweise und mit Unterbrechungen. Nun ist es möglich, die Hebräische Sprache zu beherrschen und dennoch ignorant und unwissend zu sein. (…).“

Ich kann meinen Großvater nicht fragen, was er von der neuen Übersetzung hält. Er wurde 1941 im russischen Novgorod ermordet. Aus seinem Artikel geht jedoch klar hervor, dass er über das gleiche Problem spricht, das die neuen Übersetzer bewegt hat: Die Umwandlung der heiligen Sprache in eine Alltagssprache hat einen Preis gehabt – Generationen, die die Sprache der Bibel sprechen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn sie ein einfaches Wort wie „Himmel“ sagen, wissen sie nicht, dass sie das Buch Genesis zitieren, genauso wie Monsieur Jourdain in „Le Bourgois Gentilhomme“ sein ganzes Leben in Prosa gesprochen hat, ohne zu wissen, dass es Prosa war.

Inspirierte Bibellehrer und -lehrerinnen sollten es den Hebräisch-Muttersprachlern nicht einfacher machen, die Sprache der Bibel zu verstehen, in der sie sprechen, ihnen die Bibel nicht dadurch leichter machen, dass sie sie sanft ermorden. Vielmehr sollten sie ihnen zeigen, mit welch geringem geistigen Aufwand sie sie so, wie sie ist, verstehen können.

Ich mache mir keine Sorgen um die Bibel und ihre Sprache, und auch nicht um das Alltagshebräisch. Sie haben genug Anhänger (Meir Shalev z.B., der „Bibel jetzt“ geschrieben hat und jüngst die Bibelstudie „Reishit, Pa’amim Rishonot Bemikra“). Das Hebräisch kann auf sich selbst aufpassen. Die Bibel ist ewig, aus sich heraus. Das einzige, was sie fürchten müssen, sind Lehrer mit guten Absichten.

Haaretz, 10.09.08

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