Warum Adam keinen Apfel bekam
Grundfragen des Judentums
von Miriam Magall

1.1 Warum betonen Juden immer so stark, dass sie nur an einen Gott glauben?

Wer Juden beim Gebet zuhört und sich ihre Gebete erklären lässt, wird schnell begreifen, dass sie zu einem Einzigen beten: zu Gott. Er ist der Schöpfer der Welt. Er hat die Tiere, die Pflanzen und die Menschen erschaffen. Neben Gott gibt es nichts anderes und niemand anderen. Daran glauben Juden ganz fest. Genau das sagen sie in ihrem wichtigsten Gebet: »Höre Israel, der Ewige, dein Gott, der Ewige ist einzig.«

1.2 Warum versteht man nicht, was Juden beim Gebet sagen?

Viele Jahrhunderte hindurch haben Katholiken auf der ganzen Welt auf Latein gebetet. In dieser Sprache wurden ihre wichtigsten Gebete verfasst. Und das hat alle Katholiken auf der ganzen Welt miteinander geeint. Wo immer ein Katholik hinkam, er konnte jede Kirche betreten und ohne große Probleme mitbeten.

Genauso ist es auch bei den Juden. Die Juden kommen aus dem Land Israel. Dort hieß ihre Landessprache über viele Jahrhunderte hinweg Hebräisch. In dieser Sprache wurden ihre wichtigsten Gebete geschrieben. Über tausend Jahre lang beteten die Juden in ihrem Land in dieser Sprache. Als um das Jahr 70 d. Z. ihre Hauptstadt, Jerusalem, und ihr Tempel zerstört wurden, wurden viele Judäer, so hießen die Juden damals, von den römischen Besatzern in die weite Welt verschleppt.

Die Juden verloren ihr Land und ihre Hauptstadt mit ihrem Tempel. Sie verloren die eigene Habe und waren anfangs Sklaven in Rom und in anderen Städten des Römischen Reiches. Aber eines konnten die römischen Besatzer ihnen nicht nehmen: ihren Glauben und ihre Sprache. Derm die nahmen sie in alle Länder, in die sie verschleppt wurden, mit. Selbst als die Juden beinahe zweitausend Jahre lang keinen eigenen Staat besaßen, vergaßen sie weder ihren Glauben noch ihre Sprache.

Deshalb konnte und kann ein Jude, wo immer er in der Welt herumkommt, eine Synagoge betreten und mit den anderen Betern beten.

1.3 Warum sagen und schreiben viele Juden »vor der Zeitrechnung« und »der Zeitrechnung« anstelle von »vor Christus« und »nach Christus«?

Die christliche Welt richtet sich heute nach dem Gregorianischen Kalender. So heißt er, denn im Jahr 1582 hat Papst Gregor XIII. nach einer Reform den Kalender so festgelegt, wie wir ihn heute noch kennen. Dieser Kalender richtet sich nach der Sonne. Und nach diesem Kalender hat jedes Jahr 365 Tage, außer in einem Schaltjahr, wenn es 366 Tage hat. Die Zeitrechnung gemäß dem Gregorianischen Kalender stellt die Geburt Jesu Christi in ihren Mittelpunkt. Deshalb steht bei historischen Ereignissen der Zusatz »vor Christus« und »nach Christus«.

Bei den Juden sieht es dagegen anders aus. Denn die Juden benutzen den Mondkalender. Und dieser Mondkalender ist sehr viel älter als der Sonnenkalender. Nach diesem Mondkalender hat ein jüdisches Jahr 12 oder 13 Monate. Die Monate sind unterschiedlich lang, und es gibt Jahre mit 353, 354, 355, 383, 384 und sogar mit 385 Tagen! Die Jahreszählung beginnt für Juden mit der Erschaffung der Welt, die für sie im Jahr 3761 vor der Zeitrechnung, wie sie es nennen, beginnt.

1.4 Warum gibt es fir Juden so viele Gebote?

Es nimmt sich auf den ersten Blick tatsächlich etwas beängstigend aus, wenn man hört, dass Juden sechshundertunddreizehn Gebote und Verbote einhalten müssen.

Warum so viele? Das fragt man sich dabei unwillkürlich. Aber hat der, der so fragt, dabei bedacht, dass auch im ganz normalen bürgerlichen Leben unzählige Gebote und Verbote einzuhalten sind? Und damit sind nicht nur die vielen Verkehrsregeln gemeint, die jeder, der seinen Führerschein machen will, mühevoll pauken muss. Nein, es gibt das so genannte Bürgerliche Gesetzbuch. Das ist ein richtiger Wälzer, in dem sich nur die findigsten Rechtsanwälte und Advokaten zurechtfinden. Die wenigsten Menschen kommen mit all den Gesetzen und Vorschriften in Berührung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch stehen.

Genauso verhält es auch mit den 613 Geboten und Verboten. Sie stehen übrigens in der Thora. Damit man sie besser versteht, haben jüdische Weise im Laufe der Jahrhunderte laufend neue Erklärungen dazu entwickelt und diese Erklärungen häufig den Erfordernissen einer neuen Zeit angepasst. Diese zusätzlichen Erklärungen stehen im so genannten Talmud. Darin sind alle Erläuterungen zu den Bibelgesetzen seit ungefähr dem 2. Jahrhundert d. Z. gesammelt. Das Sammeln wurde beinahe fünfhundert Jahre lang fortgesetzt. Und auch danach haben jüdische Gelehrte in praktisch jedem Jahrhundert neue Kommentare zu den Gesetzen verfasst.

So wie die Gesetze im Bürgerlichen Gesetzbuch einen Bürger nicht ständig berühren, gilt das auch für die 613 Gebote und Verbote in der Thora. Wie und in welcher Form sie sich auf das Leben eines einzelnen Juden auswirken, diesem Punkt gehen wir hier ja mithilfe unserer Fragen nach.

1.5 Warum nennen die Juden das Alte Testament »Hebräische Bibel«?

So wie die Gebete der Juden auf Hebräisch verfasst wurden, so wurde auch ihre Bibel in ihrer Landessprache, dem Hebräischen geschrieben. Deshalb nennen sie sie die »Hebräische Bibel«.

Beinahe tausend Jahre lang lasen und studierten Juden ihre Bibel auf Hebräisch. Erst kurz vor der Zeitwende, also kurz vor Jesu Geburt nach christlichem Verständnis, wurde die Hebräische Bibel in andere Sprachen übersetzt. Eine der ersten Bibel-Übersetzungen, ins Griechische, entstand in der damaligen Weltstadt Alexandria unter dem Herrscher von Ägypten, der Ptolemaios II. Philadelphos hieß und zwischen 308 und 246 v. d. Z. lebte. Der Sage zufolge sollen siebzig verschiedene jüdische Gelehrte an getrennten Orten jeder für sich diese Übersetzung angefertigt haben - und doch soll sie wortwörtlich übereingestimmt haben! Der Name dieser ersten griechischen Übersetzung der Hebräischen Bibel heißt nach diesen siebzig Gelehrten »Septuaginta«.

Auf eine Übersetzung ins Lateinische musste die christliche Welt noch einige Zeit warten. Endlich war es dann soweit. Auf Geheiß von Papst Damasus I. (366-384) schuf Hieronymus (geboren in Strido, Dalmatien um 347, gestorben in Bethlehem 419 oder 420) um das Jahr 383 d. Z. eine lateinische Übersetzung der Hebräischen Bibel.

Bis ungefähr in die Mitte oder bis zum Ende des ersten Jahrhunderts d. Z. gab es nur die Hebräische Bibel. Erst dann wurde für die christliche Welt ein neues Buch geschaffen, das von Jesus handelt, seinem Leben und seiner Lehre und auch von seinen Jüngern erzählt. Das ist das »Neue Testament«. Die Hebräische Bibel heißt bei Christen seither das »Alte Testament«, dessen Fortsetzung für sie das Neue Testament ist.

Diese Leseprobe stammt aus dem Buch von Miriam Magall, das jüdischen und nichtjüdischen Jugendlichen und Erwachsenen Antworten auf die zentralen Fragen zum Judentum gibt. Es erklärt kurz gefasst und in verständlicher Sprache, warum im Judentum etwas so und nicht anders gemacht wird. Dabei führt es immer wieder zurück zur Quelle, zur Thora, in der es um den Gehorsam der Israeliten sowie der Juden heute ihrem Gott gegenüber geht. Es beginnt mit Fragen zum Glauben, erklärt, wie und wo Juden beten, wie sie wohnen, was und warum sie etwas essen und trinken oder auch nicht. Vom Schabbath und seinen Geboten ist ebenso die Rede wie von den jüdischen Feiertagen. Und auch Fragen zu den Stationen im Leben eines Juden (Geburt, Beschneidung, Bar Mitzva/Bat Mitza, Heirat und Tod) werden kundig beantwortet. Farbige Abbildungen, Erläuterungen, zum Jüdischen Kalender sowie ein Glossar mit den im Text verwendeten hebräischen Begriffen runden das Buch ab und machen es zu einem benutzerfreundlichen Kompendium zum Thema "Judentum" in Schule und Gemeinde.

Die Autorin ist Religionswissenschaftlerin und Kunsthistorikerin. Sie arbeitet als Publizistin, Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin.
2008, ctb 111, 319 Seiten mit 6 sw- und 48 farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-7668-4037-0 EUR 14,95 

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