Redaktion: Hans-Georg Vorndran

BlickPunkt.e Nr. 2 / April 2016

 

Gudrun Mawick
Akademische Debatte trifft Praxis
Perikopenrevision der EKD

Änderungen der biblischen Predigt- und Lesetexte hinken immer ihrer Zeit hinterher. Denn sie greifen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte auf, die hoffentlich noch zeitgemäß sind, wenn alles umgesetzt ist. So fallen die Auseinandersetzungen um die Schriften des ersten Testamentes mit der praktischen Erprobung der überarbeiteten Perikopenreihen zusammen.

Die Revision ist ausdrücklich eine moderate – so wurde es in einer empirischen Studie unter Pfarrerinnen und Pfarrern gewünscht. 82 Prozent aller bisherigen Texte bleiben Teil der Ordnung, wenn sie auch vielfach von ihrem bisherigen Platz in einen anderen Zusammenhang wechseln. Doch die deutlichste Neuerung ist die Erhöhung der ATAbschnitte. Damit wird den neueren exegetischen Entwicklungen des „Alten Testamentes als Wahrheitsraum des Neuen“ und dem fortentwickelten jüdisch-christlichen Dialog Rechnung getragen. Auch die Homiletik hat sich zu mehr bildhaftem Predigen weiterbewegt, dafür bieten die vielfach narrativen Teile der jüdischen Bibel Entfaltungsraum. Das Wechselspiel zwischen den beiden Testamenten soll belebt und so das Zeugnis der ganzen Bibel herausgestellt werden.

Mit diesen Absichten sind insgesamt 77 Perikopen zwischen 1. Mose und Sacharja neu in die Reihen I – IV aufgenommen worden. Gab es bisher meist nur einen dieser Texte pro Sonn- oder Feiertag, so stehen jetzt in der Regel zwei zur Verfügung. Ihr Anteil am Gesamtkonvolut hat sich so von 1/6 auf 1/3 erhöht. Inhaltlich lag der Schwerpunkt bisher vor allem bei den Schriften des (Deutero-) Jesaja (37) und den beiden ersten Mosebüchern (26), alle weiteren AT-Bücher waren mit insgesamt 37 Ausschnitten vertreten. Dieses Bild hat sich geändert: Die Zahlen von Jesaja und Mose sind fast geblieben, aber nun sind 88 AT-Texte aus den anderen Büchern dabei. Deutlich zugelegt haben das Deuteronomium, Hiob, Ezechiel und Jona. Erstmalig sind auch Psalmen (7) als Predigttexte aufgenommen. Dahinter steht die Absicht, die Vielfalt der Gattungen des Ersten Testamentes besser wahrzunehmen.

Wie haben sich diese Änderungsvorschläge nun in der Praxis bewährt? Die schriftlichen Rückmeldungen bilden eine dünne Datenbasis. Ihre Tendenz bestätigt sich jedoch in Diskussionen von Gemeinden und Pfarrkonventen: Nahezu durchweg wird die gewachsene Anzahl an AT-Predigttexten begrüßt. Manche wünschen sich sogar weitaus mehr davon, ähnlich dem Modell der „Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden“ (KLAK), der 60 Prozent aus der jüdischen Bibel vorsieht. Gegenstimmen sind nur wenige auszumachen: Sie betonen, dass es schwer sei, über AT-Texte christologisch zu predigen und sehen ein klares Christuszeugnis gefährdet.

Die überwiegend positiven Rückmeldungen stehen im Zusammenhang mit einer anderen gut aufgenommenen Änderung: Es soll nicht mehr reine Evangeliums-, Epistel- oder AT-Reihen geben, sondern die Reihen werden insgesamt durchmischt. So kommt die Vielstimmigkeit der ganzen Bibel innerhalb eines Jahres besser zum Ausdruck. Gerade bei den AT-Texten schien im Erprobungsjahr die Entdeckerlust durchzuschlagen: „Bei allem, was AT war in diesem Jahr, ist es bei mir besonders gut gelaufen,“ lautet ein Resümee. „Noch nie hatte ich einen Kantate-Gottesdienst mit so vielen Rückmeldungen auf die Predigt. Die Geschichte, wie David mit der Harfe Sauls bösen Geist vertreibt (1. Samuel 16, 14-23) bot wunderbare Auslegungsmöglichkeiten mit der therapeutisch-theologischen Wirkung von Musik. Gerade in Kombination mit dem prägnanten Evangelium von den Steinen, die schreien werden (Lukas 19, 37-40).“

Manche Vorschläge aus dem Gesamtpaket der Revision werden noch heftig diskutiert werden. Das „dass“ der erhöhten Anzahl der AT-Texte wohl nicht.

Gudrun Mawick arbeitet am Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ev. Kirche in Westfalen mit den Schwerpunkten Gottesdienst und Kirchenmusik.

Zur Perikopenrevision der EKD siehe
www.ekd.de/EKD-Texte/84112.html

Zum Perikopenmodell der KLAK siehe
www.perikopenmodell.de

JungeKirche 1/2016

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